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Soli aktuell 9-10/2023

Die Rente und die Jugend

Die gesetzliche Alterssicherung muss stabil sein und angehoben werden. Soli aktuell sprach mit dem DGB-Rentenexperten Ingo Schäfer.

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Ingo Schäfer, 47, ist beim DGB-Bundesvorstand Referatsleiter für Alterssicherungspolitik, Rehabilitation und Seniorenpolitik. Kürzlich stellte er im DGB-Bundesjugendausschuss seine Überlegungen zum Thema Rente vor.

Ingo, junge Menschen haben mit Schule, Ausbildung und Studium genug zu tun. Du sagst, sie müssen sich auch um ihre Rente kümmern. Warum ist dieses Thema für junge Menschen jetzt schon wichtig?
Im Alter oder bei Erwerbsminderung entfällt das Lohneinkommen. Die gesetzliche Rente wurde politisch gekürzt und reicht allein oft nicht. Die meisten werden eine ausreichende Rente für viele Jahre brauchen. Jede*r muss den zusätzlichen Bedarf ermitteln. Wer früher und länger einzahlt, muss für die gleiche Rente pro Monat weniger zahlen – einfacher Dreisatz.

Was können und sollen junge Menschen in Sachen Rente angehen?
Das hängt zunächst von den Lebensumständen ab: Einkommenshöhe, Familienplanung, Schulden, Wohneigentum. Daneben informieren: Zahlt der Arbeitgeber in eine Betriebsrente mit ein und wie gut sind die Regeln dort? Lohnt sich eine private Versicherung – oder doch lieber Wohneigentum vermieten, wenn man so etwas überhaupt kann und will? Mit der politisch gewollten größeren Freiheit kommt eben jede Menge Entscheidungsbedarf. Hier bieten sich unabhängige Beratungen an, etwa bei der Deutschen Rentenversicherung oder Verbraucherzentralen. Hier gibt es erste Orientierung.

Warum bekommen Menschen in Deutschland eine recht kleine Rente?
Weil die Politik auf Druck der Arbeitgeber entschieden hat, dass die gesetzliche Rente gekürzt werden muss. Damit sinken die Beiträge der Arbeitgeber. Die Menschen müssen die Lücke aber durch eigene Sparbeiträge ausgleichen. Deutschland gibt im internationalen Vergleich sehr wenig Geld für die staatliche Alterssicherung aus. Das wollen wir aber politisch ändern und fordern mehr Geld und ein höheres Rentenniveau.

Das deutsche Rentensystem funktioniert als Umlage. Ist es in Gefahr? Viele Politiker*innen wollen ja das Rentenalter – derzeit 67 Jahre – immer weiter nach oben schieben…
Jedes Alterssicherungssystem kostet mehr Geld, wenn mehr Menschen Leistungen wollen. Das Umlagesystem ist dabei viel effizienter als die kapitalgedeckten privaten Versicherungen. Aber die Arbeitgeber müssen die Hälfte des Beitrags zahlen und tun deswegen alles, um das System kleinzubekommen. Da geht es schnell um Milliarden an zusätzlichen Gewinnen. Mit dem Umlageverfahren hat das nichts zu tun: die Arbeitgeber versuchen auch, sich aus der Finanzierung der Betriebsrenten herauszuziehen.

Was fordert der DGB zur Alterssicherung der jungen Generation?
Als wichtigstes: Stabilisierung und Anhebung des Rentenniveaus, damit die jungen Menschen später auch eine hohe Rente bekommen. Und keine weitere Anhebung der Altersgrenzen, denn das längere Arbeiten und Kürzer-Rente-Beziehen träfe ja die jungen Menschen, nicht die Rentner*innen. Außerdem muss der solidarische Ausgleich gestärkt werden – für Ausbildungs- und (Hoch-)Schulzeiten wie für Kindererziehung und bei Erwerbslosigkeit.

Wie wird das in anderen Ländern gemacht? In Österreich ist die Rente höher und Schweden hatte auch mal ein gutes System… Soll dort auch immer länger gearbeitet werden?
In Österreich sind die Renten in der Tat höher – auch wenn dort nicht alles Gold ist. In Schweden gibt es bei deutlich späterem Rentenbeginn etwa so viel Rente wie in Deutschland. Was die beiden Systeme zeigen: Die Österreicher geben anteilig wesentlich mehr für ihre Alterssicherung aus als Deutschland oder Schweden. Der Trick ist eigentlich: Kein Rentensystem hat einen Goldesel, jeder ausgezahlte Euro muss vorher eingenommen werden.

Du bist der Rentenexperte des DGB. Wie bist du zu dem Thema gekommen?
Durch Zufall. Im ersten Job, eine Elternzeitvertretung bei der Linksfraktion im Bundestag, teilte ich mir die Themen Hartz IV und Rente mit einem Kollegen. Er wollte Hartz IV und so bekam ich die Rente ab. Schnell merkte ich, dass passt wie Ar**** auf Eimer. Das Thema hat mich nie mehr losgelassen. Und nicht nur politisch: Als Versichertenältester – ein komischer Begriff für junge Leute – helfe ich ehrenamtlich den Kolleg*innen bei ihrem Rentenantrag und Fragen.

Was ist für dich das Interessanteste daran?
Alles. Es ist vielfältig und permanent politisch umkämpft. Es ist eine zentrale Errungenschaft der Arbeiterbewegung und essenziell für jeden Sozialstaat und unersetzlich für jede*n Einzelne*n. Und ich liebe Zahlen und Formeln – auch etwas schräg, aber in der Rente geht es zumindest in der Auseinandersetzung immer um Zahlen, Formeln und Daten. Wer mit mir zur Rente diskutiert, merkt schnell, wie sehr ich da für jedes Detail und jeden Aspekt brenne.

Wirst du selbst genug Rente bekommen?
Puh. Wann ist im Kapitalismus genug? Meine Rente wird reichen, aber wegen des späten Arbeitsbeginns und der kurzen Einzahlung nicht üppig sein. Aus speziellen Gründen habe ich aber noch anderweitig vorgesorgt. Und, wenn der DGB sich durchsetzt, werde ich besser versorgt sein. Bis dahin ist ja noch viel Zeit, alles zu erreichen.

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Gute Alterssicherung für alle Generationen
Arbeitnehmer*innen verdienen eine gute Rente im Alter oder bei Erwerbsminderung. Dabei geht es nicht um ein Almosen oder Armutsbekämpfung. Die Höhe der Rente muss für das gewohnte Leben und die aktuelle Wohnung reichen, heißt es beim DGB. Ganz klar: Eine gute Rente ist bezahlbar und machbar. Das Rentenniveau darf nicht unter 48 Prozent sinken, im Gegenteil: Es muss wieder angehoben werden – und die Renten sollen wie die Löhne steigen.


Die DGB-Website zur Rente: www.dgb.de/rente

(Aus der Soli aktuell 9-10/2023, Autorin: Soli aktuell)