Ist mein Betrieb ausbildungsreif?
Termin bei "Dr. Azubi": Start in die Ausbildung: "Dr. Azubi" sagt, wo es bei Überstunden, Urlaub, Geld, Übernahme hapern könnte. Und was man dagegen tun kann.
Die Ausbildungsqualität
Überprüfe deinen Betrieb schon zu Beginn und nicht erst kurz vor der Abschlussprüfung, um zu erfahren, ob du eine qualitativ hochwertige Ausbildung genießt. Und wenn nicht, setze dich für eine gute Ausbildung ein!
Hier stellen wir die Ausbildungsreife deines Betriebs auf den Prüfstand und geben dir wertvolle Hinweise, wie du zu einer guten Ausbildung kommst.
Die Überstunden
Geht es dir wie Jana? Sie schreibt im "Dr. Azubi"-Forum: "Laut Vertrag habe ich 39,9 Stunden die Woche, wobei von mir erwartet wird, dass ich um 7.30 Uhr anfange und bis 18-19 Uhr arbeite und das ohne Pause…"
Übermüdet in der Berufsschule, weil ihr am Vortag bis open end gearbeitet habt? Sind Überstunden bei euch an der Tagesordnung und einen freien Tag gibt es dafür auch nicht?
Das entspricht nicht dem Zweck einer Ausbildung. Die Ausbildungsinhalte können in der vorgegebenen Zeit vermittelt werden und daher braucht es keine oder nur im Ausnahmefall Überstunden für eine qualifizierte Ausbildung. Arbeitet ihr andauernd mehr, als es euer Vertrag vorschreibt, kann das ein Hinweis sein, dass ihr mehr Arbeitskraft als Auszubildende seid. Das kann sich auch negativ auf eure Gesundheit auswirken. So wie auch bei Jana.
Die Urlaubstage
Urlaub dient der Erholung und daher habt ihr ein Recht darauf, eure Urlaubstage im laufenden Kalenderjahr zu nehmen. Mindestens zwei Wochen Urlaub am Stück sollten in einem Jahr drin sein. Müsst ihr um euren Urlaub kämpfen und er wird kurzfristig gestrichen oder umgelegt, dann ist das ein Zeichen für eine mangelnde Ausbildungsqualität.
Das Geld
Elias schreibt: "Meine Azubikolleg*innen und ich haben eine Frage zur Ausbildungsvergütung, da wir befürchten, dass wir zu wenig erhalten!"
Seit 2020 gibt es eine gesetzlich festgelegte Mindestvergütung ab Ausbildungsbeginn. Die Mindestvergütung für Ausbildungen, die 2023 begonnen werden, beträgt für das erste Ausbildungsjahr 620 Euro (2022: 585 Euro).
Auch im zweiten Ausbildungsjahr bekommen Azubis mehr Geld: Die Mindestvergütung steigt dann um 18 Prozent. Im dritten Ausbildungsjahr steigt sie um 35 Prozent und im vierten Jahr um 40 Prozent. Sollte ein Tarifvertrag für euch gelten, dann kann es auch gut sein, dass ihr mehr Ausbildungsvergütung bekommt.
Bekommt ihr zu wenig Ausbildungsvergütung, kommt euer Gehalt unregelmäßig oder bleibt sogar komplett aus, stimmt etwas nicht und ihr solltet aktiv werden. Am besten wendet ihr euch an eure zuständige Gewerkschaft.
Die Übernahme
Und die Perspektive? Einen gesetzlichen Übernahmeanspruch gibt es leider nicht. Dieser kann sich aber durchaus aus gültigen Tarifverträgen ergeben. Euren Wunsch, nach der Ausbildung im Betrieb weiterbeschäftigt zu werden, solltet ihr in jedem Fall vor der Prüfung ansprechen. Macht der Betrieb von sich aus ein Angebot, zeigt er Interesse an qualifiziertem Fachpersonal.
Keine gute Ausbildung – was nun?
Das hängt immer von deiner individuellen Situation ab. Wir raten, zu Beginn des Ausbildungsverhältnisses genau hinzusehen, ob sich bei möglichen Missständen im Betrieb noch etwas ändern kann oder nicht. Bei katastrophalen Strukturen lohnt es sich, sofort zu wechseln. Ansonsten ist es sinnvoll, zunächst die Probezeit abzuwarten, um dann das Gespräch mit dem Betrieb zu suchen. So wie bei Jana, die uns erneut schreibt: "Was soll ich tun? Ich bin richtig unzufrieden, hab keine Freizeit mehr wegen Überstunden, bekomme auch nichts ausgezahlt oder auch kein frei. Ich habe keine Pause und nicht mal Zeit, was zu essen. Ich habe vier Kilo abgenommen, weil ich von morgens bis abends nichts esse. Mir ist zum Heulen zu Mute."
Der erste Schritt, um aktiv zu werden, ist ein Nachweis deiner Überstunden. Mach dir eine Kopie des Stundenzettels oder schreibe deine Arbeitszeit genau auf, wenn es keinen Nachweis gibt. Damit kannst du nach der Probezeit das Gespräch suchen. Es sei denn, du merkst schon, dass noch vieles anderes schiefläuft und wie bei Jana deine Gesundheit leidet. Dann solltest du auf jeden Fall früher das Gespräch suchen.
Hilfe holen
Unterstützung gibt es bei der Jugend- und Auszubildendenvertretung, dem Betriebsrat und bei eurer zuständigen Gewerkschaft. In den zuständigen Kammern arbeiten Ausbildungsberater*innen. Sie sind dafür zuständig, die Betriebe zu kontrollieren. Bei Verstößen gegen die Arbeitszeit ist die zuständige Gewerbeaufsicht die richtige Anlaufstelle. Sollte in letzter Konsequenz keine Änderung eintreten, ist ein Ausbildungsplatzwechsel sinnvoll.
Es kommt auch auf den Zeitpunkt an: Kurz vor der Abschlussprüfung zum Beispiel gilt es, Strategien zu finden. Und durch geeignete Nachhilfe oder – sollte es gar nicht mehr gehen – durch eine externe Prüfung einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen.
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Kompass: Ausbildung
Tipps für den Berufsstart und die Berufsausbildung 2023/24: Die DGB-Jugend-Broschüre "Kompass: Ausbildung" ist der große Navigator: Sie begleitet euch auf dem Weg durch die Ausbildung – vom Start bis zum erfolgreichen Abschluss. Hier findest du alles Wichtige rund um deine Rechte, Pflichten und Möglichkeiten, etwa im Hinblick auf finanzielle Hilfen während der Ausbildung oder im Falle des Elternwerdens. Der "Kompass" hilft bei Fragen und Unsicherheiten.
Wichtiger Tipp: Inhalte der Broschüre können in deiner Prüfung eine Rolle spielen. Sie ist auch hier eine ausgezeichnete Unterstützung zur Vorbereitung. Den "Kompass: Ausbildung" gibt es als Download und zum Bestellen als Print-Exemplar auf: https://jugend.dgb.de/broschueren
Welcome Solidarity
Das mehrsprachige Portal der DGB-Jugend zur Ausbildung in Deutschland findet ihr auf: https://jugend.dgb.de/welcome-solidarity
(Aus der Soli aktuell 9-10/2023, Autorin: Julia Kanzog)