Warnung vor Verwirrung beim Wahlalter
Die gewerkschaftliche Otto Brenner Stiftung hat die Möglichkeiten neuer Wahlaltersgrenzen untersucht.
Umfangreich gefragt
Elf Bundesländer haben das Wahlalter für Kommunal- oder Landtagswahlen auf 16 Jahre gesenkt. Die Ampelkoalition möchte dies auch für Bundestagswahlen tun – hat dafür aber keine eigene verfassungsändernde Mehrheit. Dabei sorgen unterschiedliche Wahlaltersgrenzen für verschiedene Wahlen für Verwirrung unter jungen Menschen, zeigt die Studie "Mehr Wählen wagen? Ungleichheiten beim 'Wählen ab 16' und ihre Folgen" der gewerkschaftlichen Otto Brenner Stiftung. Forscher*innen der TU Chemnitz hatten mehr als 5.000 junge Berliner*innen zwischen 15 und 20 Jahren im Rahmen der Wahlen vom 26.September 2021 interviewt. Ergänzt wurde die Untersuchung um eine Befragung von rund 2.000 17- bis 27-Jährigen in Brandenburg und Sachsen.
Verschiedene Wahlaltersgrenzen
Neben den Berliner Abgeordnetenhaus- und Kommunalwahlen, die am 12. Februar wiederholt wurden, fanden dort zeitgleich die Bundestagswahl sowie ein Volksentscheid statt. Nur für die Kommunalwahl galt das Wahlalter 16. Ergebnis: Der Flickenteppich aus Wahlaltersgrenzen führt zu erheblichen Fehlwahrnehmungen bei jungen Menschen. Die Befunde zeigen, dass rund zehn Prozent der 16- und 17-Jährigen nicht von ihrer Wahlberechtigung für die Kommunalwahl wussten.
Diese Problematik verschärfe sich noch unter dem Blickwinkel demokratischer Gleichheit, sagt der Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung, Jupp Legrand, "Insbesondere Jugendliche, die sich selbst der 'Unterschicht' zuordnen, verzeichnen die höchsten Fehlwahrnehmungen, blieben also im schlimmsten Fall den Wahlen aus Unwissenheit fern."
Die Uneinheitlichkeit der Wahlaltersgrenzen verstärke einen allgemeinen Trend zur sozial ungleichen Wahlbeteiligung, der "besorgniserregend" sei, so Legrand weiter. Eine stärkere egalisierende Mobilisierung über die Schulen sei bei abgesenktem Wahlalter dringend notwendig.
Jugend mit Durchblick
Zugleich bestätigten die Daten der Studie, dass die Jugendlichen hinsichtlich ihrer politischen Reife jungen Erwachsenen ebenbürtig seien bzw. dass das Wahlalter nicht nur und auch nicht zuerst auf kommunaler Ebene zu senken sei. "Emotional abgeholt" würden junge Menschen vor allem mit einem abgesenkten Wahlalter auf Bundesebene, heißt es dazu in der Studie. Hier sei die Freude über die Wahlberechtigung bei 18-Jährigen, aber auch der Ärger über eine verweigerte Wahlmöglichkeit bei den 15- bis 17-Jährigen mit Abstand am größten. Folgerichtig spricht sich eine Mehrheit der Befragten für ein Wahlalter von 16 Jahren insbesondere auf Bundesebene aus.
Sollten die Parteien der Ampelkoalition und die Union sich nicht über die Absenkung des Wahlalters im Bund einigen, wird sich die Vielfalt der Wahlaltersregelungen weiter vergrößern. Damit bliebe es für junge Menschen unnötig schwer, beim wichtigen Thema "Wahlalter" den Überblick zu behalten, heißt es bei der Stiftung.