Licht und Schatten
Tarifliche Ausbildungsvergütungen: Wie immer ein breites Spektrum.
Große Differenzen
Bei den durch Tarifvertrag festgelegten Ausbildungsvergütungen bestehen je nach Branche und Region sehr große Unterschiede. Die Spannbreite reicht von der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung, die im ersten Ausbildungsjahr bei aktuell 620 Euro pro Monat liegt und z.B. im Friseurhandwerk oder der ostdeutschen Floristik gezahlt wird, bis hin zu 1.580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe im vierten Ausbildungsjahr. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung von 20 ausgewählten Tarifbranchen durch das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
Backhandwerk legt zu
Den größten Zuwachs konnte das Backhandwerk verzeichnen, wo die Ausbildungsvergütungen ab dem 1.August 2023 im ersten Ausbildungsjahr um 26,5 Prozent angehoben werden. Die Steigerung ist nicht ohne: Auszubildende erhalten zwischen 180 bis 200 Euro mehr pro Monat. Hinzu kommen pro Monat 50 Euro abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie. Im ersten Ausbildungsjahr gibt es dann insgesamt 910 Euro, im zweiten 995 Euro und im dritten 1.135 Euro pro Monat an Ausbildungsvergütung.
Die Tarifparteien einigten sich außerdem darauf, dass die Auszubildenden ein 29-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr bekommen bzw. einen Fahrtkostenzuschuss in gleicher Höhe. DGB-Jugend-Ausbildungsexperte Julian Uehlecke: "Ein sehr wichtiger Beitrag zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung. Bäcker*innen gehören zu den Ausbildungsberufen mit den höchsten Vertragslösungsquoten." Sie lagen 2021 bei 42,6 Prozent.
Weitere Steigerungen
Erhöhungen um 20 Prozent und mehr gab es außerdem im bayerischen Gastgewerbe, der westdeutschen Floristik und der Süßwarenindustrie Nordrhein-Westfalen. Über zehn Prozent stiegen die Ausbildungsvergütungen im sächsischen Gastgewerbe, in der Landwirtschaft (Mecklenburg-Vorpommern) und im Privaten Bankgewerbe. In der Mehrzahl der Branchen wurden die Vergütungen im Laufe des letzten Ausbildungsjahres zwischen zwei und 7,5 Prozent angehoben. In einigen wenigen Bereichen gab es hingegen keine Erhöhungen, weil die Tarifverhandlungen noch laufen.
Die vergleichsweise höchsten Ausbildungsvergütungen unter den untersuchten Tarifbranchen werden aktuell im ersten Ausbildungsjahr mit 1.231 Euro (Öffentlicher Dienst: Länder) bzw. 1.191 Euro (Öffentlicher Dienst: Bund und Gemeinden) für die Pflegeberufe gezahlt, die mittlerweile innerhalb der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes über gesonderte Regelungen verfügen.
Ausreißer nach unten
Sehr niedrige Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von unter 800 Euro im Monat finden sich in der Landwirtschaft im Bezirk Nordrhein mit 790 Euro, dem nordrhein-westfälischen Friseurhandwerk mit 610 Euro und der ostdeutschen Floristik mit 585 Euro. Und auch das gibt es: Die beiden letztgenannten Tarifbereiche liegen dabei unterhalb der aktuell gültigen gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung von 620 Euro – und sind somit unwirksam.
In lediglich sieben der vom WSI untersuchten Tarifbranchen existieren bundesweit einheitliche Ausbildungsvergütungen. Das sind: Bäckerhandwerk, privates Bankgewerbe, Druckindustrie, Deutsche Bahn AG, Gebäudereinigungshandwerk, Öffentlicher Dienst und Versicherungsgewerbe.
Weitere Infos: www.wsi.de
(Aus der Soli aktuell 11/2023, Autorin: Soli aktuell)