Was ist „Erfolg" in einer Verhandlung?
In einer Verhandlung gibt es mehrere Interessengruppen, die verschiedene und aus ihrer Sicht berechtigte Vorstellungen vom Verhandlungsergebnis haben. Die Verhandlung ist dann erfolgreich, wenn sich alle Interessengruppen mit dem Ergebnis zufrieden erklären können. Es ist nicht immer ratsam, bei Verhandlungen einfach nur „gewinnen" zu wollen - auch dann nicht, wenn die Verhandlungspartner Lehrer und Eltern sind.
Gute Verhandlungsergebnisse zu erzielen wird oft dadurch erschwert, dass sich Verhandlungspartner schon zu Beginn der Verhandlung darauf festgelegt haben, was für sie die „richtige" Lösung ist. Während der Verhandlung versucht dann jeder die anderen dazu zu bringen, seiner Lösung zuzustimmen. Im besten Fall versuchen die Verhandlungspartner, die Kluft zwischen ihren Positionen zu verkleinern und nennen das dann Kompromissbereitschaft. Bei solchen Verhandlungsmethoden bleiben gute Lösungen meist unentdeckt auf dem Tisch liegen.
Analysiert man hingegen erst einmal die Interessen aller beteiligten Gruppen, können zum Beispiel Schulleitung und SV versuchen, sowohl ihre gemeinsamen Interessen als auch die, die nur eine der beiden Gruppen hat, durch ein gemeinsames Verhandlungsergebnis abzudecken. Während ihr nach solchen Lösungen sucht, solltet ihr noch nicht zu viel über die Umsetzbarkeit eurer Ideen nachdenken, sondern zuerst viele, vielleicht ungewöhnliche, Lösungsmöglichkeiten produzieren.
Manchmal gibt es aber Situationen, in denen Verhandeln kaum mehr möglich zu sein scheint: Es gibt zuweilen Direktoren, die gar kein Interesse zu haben glauben, sich mit den Vorschlägen der Schülervertretung auseinanderzusetzen. Da die Machtverhältnisse in der Schule Schülerinnen und Schüler konsequent benachteiligen, kann es manchmal nötig sein, euch - zum Beispiel in der Schulkonferenz - Mehrheiten zu organisieren oder öffentlich Druck auf die Schulleitung auszuüben. Dieser Artikel will aber helfen, auch in schwierigen Situationen fair zu verhandeln und alle Möglichkeiten von gütlichen Einigungen auszuschöpfen. Erst wenn es das gar nicht mehr möglich ist, solltet ihr zu kämpferischen Maßnahmen greifen.
Der folgende Ablauf soll euch helfen, so zu verhandeln, dass alle etwas von dem Ergebnis haben. Um das Ganze ein wenig griffiger zu machen, werden die einzelnen Schritte mit dem Beispiel illustriert: In eurer SV schlagen einige Klassensprecherinnen vor, Fehlverhalten von Lehrerinnen in der Schülerzeitung anzuprangern. Das Beispiel zeigt eine Alternative dazu auf, den Antrag einfach abzustimmen und entweder die Interessen der Antragsteller zu vernachlässigen, oder euch möglicherweise den Unmut des Lehrerkollegiums zuzuziehen:
Interessengruppen
Interessengruppen bei einer Verhandlung sind alle Gruppen, die von der diskutierten Frage betroffen sind. Während die Hausordnung mindestens alle Schüler und Lehrer betrifft, stellen Jungs keine Interessengruppe dar, wenn es um die Farbe der Mädchentoiletten geht. Vor Beginn einer Verhandlung ist es wichtig, alle Betroffenen herauszufinden. Klar, dass mögliche Interessengruppen an eurer Schule meistens Schüler, Lehrer, Eltern und das Personal der Schule sind. Es lohnt sich aber ein genauerer Blick: Sind alle Schüler betroffen, oder nur bestimmte Jahrgänge? Welche Lehrer betrifft die Entscheidung genau? Auch die Schulleitung? Könnte die Verhandlung auch Konsequenzen für den Hausmeister haben? Wenn ihr euch darüber klar geworden seid, wer die Betroffenen sind, lohnt sich eine genaue Analyse ihrer schon bekannten Meinungen zum Verhandlungsgegenstand, um sich auf mögliche Einwände vorzubereiten und schlagende Argumente parat zu haben. Vielleicht gelingt es euch dann, sie von eurem Standpunkt zu überzeugen.
Mehrheiten organisieren
Viele wichtige Entscheidungen werden an der Schule von den Lehrern oder der Schulleitung allein getroffen. Es ist kein Geheimnis, dass Schule zwar für Schüler veranstaltet wird, deren rechtlich verbürgte Mitwirkungsmöglichkeiten allerdings mehr als begrenzt sind. Wie soll man seine Interessen artikulieren, wenn man bei Entscheidungen gar nicht anwesend ist? Wie seinen Positionen Nachdruck verleihen, wenn Lehrer in wichtigen Gremien allein entscheiden oder Schülerinnen und Schüler in der Minderheit sind? Es gibt an jeder Schule Lehrer, die nicht die Mehrheitsmeinung im Kollegium teilen. Und es gibt immer solche, die auch für Argumente aus der Schülervertretung zugänglich sind. Deshalb lohnt es sich, vor wichtigen Entscheidungen mit allen, die in der zu entscheidenden Frage mitreden oder mitentscheiden, persönlich zu sprechen und zu versuchen, sie zu überzeugen. Überlegt euch vorher genau, für welche Argumente euer Gegenüber aufgeschlossen sein könnte, und versucht, ihn von euren Positionen zu überzeugen. Einige Mitstreiterinnen unter den Lehrerinnen und Eltern können den Debatten vor der Entscheidung wichtige Impulse zu euren Gunsten geben und euch helfen, euren Argumenten trotz bestehender Beteiligung Nachdruck zu verleihen.
Umgang mit Verhandlungspartnern
Verhandeln ist eine Tätigkeit, die besondere Anforderungen an das eigene Verhalten stellt. Hier ein paar Tipps zum Umgang mit Verhandlungspartnern:
Umgangsformen:
Beim Verhandeln:
Aktives Zuhören
Dass man seinen Verhandlungspartnern zuhört, versteht sich von selbst. Klar ist auch, dass intensives Zuhören in hitzigen Verhandlungen sehr schwer ist. Zuhören ist aber die Schlüsselqualifikation beim Verhandeln, die maßgeblich über euren Einfluss auf die Position eures Gegenübers entscheidet. Macht es euch zum Grundsatz, während andere sprechen nicht über eure Antwort auf den Beitrag nachzudenken. Verwendet eure ganze Energie darauf, die Interessen, Wünsche und Hoffnungen aufzunehmen, die euer Gegenüber ausspricht. Gerade in kontroversen Verhandlungen solltet ihr euch Zeit nehmen, eurem Gegenüber deutlich zu signalisieren, dass ihr ihn verstanden habt. Solche Signale verbessern die Kompromissbereitschaft eurer Verhandlungspartner ungemein.
Menschen und Probleme getrennt behandeln
Es hat sich eingebürgert, von „harten" und „weichen" Verhandlungsstilen zu sprechen. Wer „hart" verhandelt, nimmt nur seinen Interessen folgend wenig Rücksicht auf seine Verhandlungspartner als Menschen. Der „weiche" Verhandlungspartner konzentriert sich sehr auf ein gutes Miteinander, wird vom Gegenüber oft als angenehm empfunden – aber neigt zu großen Zugeständnissen in der Sache zu Gunsten der menschlichen Beziehungen.
Für welchen Stil soll man sich entscheiden? Am besten für keinen von beiden. Denn beide Verhandlungsstile vermengen den sachlichen Verhandlungsgegenstand mit der menschlichen Komponente. Das kann fatale Konsequenzen haben: Nehmen wir an, bei einer SV-Sitzung soll ein heikles Thema diskutiert werden, dass außer Schülervertretern niemand mitbekommen soll. Die bei der Sitzung anwesende Vertrauenslehrerin antwortet auf die Bitte, kurz rauszugehen: „Vertraut ihr mir denn nicht? Ich bin jetzt schon das zweite Jahr Vertrauenslehrerin, und wir hatten doch nie Probleme." Wer jetzt „hart" verhandeln will, schickt die Lehrerin auf Beschluss der SV raus, und riskiert, sie brüskiert zu haben. „Weich" zu verhandeln hieße, ihr nachzugeben, und eine unerwünschte Mitwisserin der Diskussion zu haben.
Man kann an dieser Stelle aber auch „hart" und „weich" zugleich sein: „Hart", so lange es um die sachliche Dimension der Auseinandersetzung geht, „weich" zu der Lehrerin als Person. Wichtig ist vor allem, die unzulässige Vermischung von Sach- und Beziehungsebene, die hier vorgenommen wurde, wieder aufzuheben. Man kann zum Beispiel antworten: „Wir freuen und über die gute Zusammenarbeit seit fast zwei Jahren, aber unsere Bitte hat nichts mit fehlendem Vertrauen ihnen gegenüber zu tun. Wir wollen eine heikle Frage nur zunächst unter uns diskutieren. Wenn wir ein Ergebnis gefunden haben, können wir alles gemeinsam besprechen."
Rhetorik
Es ist kaum empfehlenswert, sich nicht auf das Herausfiltern der besten Lösung zu konzentrieren, sondern nur mit rhetorischer Gewandtheit Verhandlungspartner lediglich zu überreden und nicht sie von einer Sache zu überzeugen.
So wichtig eine klare Sprache und die sachgerechte Formulierung der eigenen Position auch sein mögen – das allein macht einen nicht zu einem Verhandlungsprofi. Natürlich sollte man sich genau überlegen, wie die eigenen Argumente überzeugend vorgetragen werden können. Aber es kann für viele sehr frustrierend werden, wenn sich immer nur die Position durchsetzt, die lediglich am rhetorisch cleversten vorgetragen wurde. Außerdem kann man sich so auch bei Verhandlungspartnern, die diese Strategie durchschauen, schnell sein Vertrauen verspielen.
Auf Totschlagargumente reagieren
Verhandeln um Interessen wird natürlich schwierig, wenn die anderen Verhandlungspartner nicht mitspielen. Zum Beispiel legen sich Verhandlungspartner oft auf ihre Position fest: „Meine Entscheidung steht fest. Wenn es einen Etat für die SV geben soll, dann höchstens 20 Euro pro Monat."
Häufig greifen Verhandlungspartner sich persönlich an, um die andere mundtot zu machen: „Tina, wir wissen doch beide, dass Du nur eine vier in Biologie hast, und deinen Lehrer nicht leiden kannst. Beschwere dich nicht über ihn."
Sehr beliebt sind Phrasen, die entweder den Verhandlungsgegenstand oder den vorgebrachten Vorschlag als indiskutabel hinstellen: „Diesen Punkt haben wir längst abgehakt. Darüber rede ich nicht mehr", „Das haben wir noch nie so gemacht".
Fragen statt Zurückschlagen
Die Beispiele haben eines gemeinsam: Wenn man auf der gleichen Ebene reagiert, ist die Verhandlung im Eimer. Eine Position anzugreifen, auf die sich ein Verhandlungspartner festgelegt hat, lässt ihn nur noch beharrlicher darauf bestehen. Sich auf einen persönlichen Angriff hin persönlich zu rechtfertigen, bedeutet, dass man in diesem Fall die Verbindung von Sach- und Beziehungsebene zulässt.
Nicht zurückzuschlagen ist in solchen Situationen das Beste. Stattdessen kann man sein Gegenüber durch Fragen entwaffnen: „Warum halten sie 20€ für den höchstmöglichen Betrag zur Finanzierung der SV?" „Was spricht dagegen, den Punkt noch einmal zu diskutieren?" Bei den Fragen ist es besonders wichtig, eure Verhandlungspartner zur Kritik an eurer Position einzuladen. Oft könnt ihr aus dieser Kritik wertvolle Informationen über die Interessen eures Gegenübers erhalten.
Gute Absichten unterstellen
Die genannten Beispiele zielen darauf, die Verhandlung abzubrechen. Man kann solche Reaktionen trotzdem als aufrichtigen Versuch behandeln, eine Lösung zu finden. Nehmt den Vorschlag als eine mögliche Lösung, und fragt wieder nach den Interessen dahinter: „Sie meinen also, mit meinen Noten sollte ich meinen Biolehrer besser nicht kritisieren. Wer sollte das denn ihrer Meinung nach in meinem Namen tun?", „Sie wollen den Punkt sicher nicht noch einmal behandeln, weil Ihrer Meinung nach schon eine gute Lösung gefunden wurde. Vielleicht können wir die Lösung aber noch verbessern…"
Das Gespräch zum Thema machen
Manchmal werden Verhandlungen so unangenehm, dass man auf einer inhaltlichen Ebene gar nicht mehr weiterkommt. Statt resigniert abzubrechen, könnt ihr dann das Gespräch selber thematisieren, zum Beispiel, wenn ihr fortwährend persönlich angegriffen werdet: „Wir wollen doch alle eine Lösung finden. Ich habe im Moment aber den Eindruck, dass sie mich stattdessen persönlich angreifen. Sollen wir etwas Persönliches klären oder können wir uns wieder zur Sache unterhalten?" Formuliert solche Einwände immer so, dass euer Gegenüber die Möglichkeit hat, das Gesicht zu wahren. Räumt zum Beispiel ein, dass es sich um ein Missverständnis handeln könnte.