Deutscher Gewerkschaftsbund

Die JAV nimmt teil und stimmt ab

Euer Rechtsanspruch: Es ist eine gesetzliche Pflicht, die JAV zu Sitzungen des Betriebsrats einzuladen.

Das JAV-Portal der DGB-Jugend ist speziell für Jugend- und Auszubildendenvertreter_innen gedacht. Im Downloadbereich stehen Arbeitshilfen und Seminarkalender der Gewerkschaftsjugend bereit.

Das Problem
Es gibt leider immer noch Betriebsräte, die die Chancen einer guten Zusammenarbeit mit der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) nicht erkennen. Dabei sollte jedem klar sein, dass er eine grobe Pflichtverletzung begeht, wenn er dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nicht nachkommt.

Das sagt der Gesetzgeber
Grundsätzlich ist die JAV berechtigt, zu jeder Sitzung eine*n Vertreter*in zu entsenden – und zwar unabhängig von den Themen über die beraten oder abgestimmt werden soll (Allgemeines Teilnahmerecht). Aufgrund des Wortlauts des Gesetzes (§ 67 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) ist das auch eindeutig.
Der Betriebsratsvorsitzende muss die JAV rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung einladen (§ 29 Abs. 2 Satz 4 BetrVG). Die JAV kann die Aufnahme von Angelegenheiten, die besonders die von ihr vertretenen Beschäftigten betreffen, in die Tagesordnung der nächsten Sitzung verlangen (§ 67 Abs. 3 BetrVG).

Achtung: Die Einberufung einer Sitzung kann die JAV nicht verlangen.

Wer ist dabei?
Die einköpfige JAV ist "gesetzt". Eine mehrköpfige JAV entscheidet selbst per Mehrheitsbeschluss darüber, welches ihrer Mitglieder sie zu den Sitzungen entsenden will. Meistens wird es sich dabei um JAV-Vorsitzende handeln. Dass Gremium kann aber auch vor jeder Betriebsratssitzung neu entscheiden, wer dort die JAV vertreten soll. Ein Ausschluss der JAV bzw. von JAVis von der Teilnahme ist unzulässig – selbst wenn der Betriebsrat das Vertrauensverhältnis für gestört hält!

Hinweis: Wie alle Teilnahmeberechtigten kann der JAVi zu allen Tagesordnungspunkten von seinem Rederecht Gebrauch machen.

Wir gehen alle hin!
Nach Willen des Gesetzgebers soll auch die gesamte JAV dann beratend teilnehmen können, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die besonders die Beschäftigten betreffen, die die JAV vertritt (Besonderes Teilnahmerecht, § 67 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Das Teilnahme- inklusive Rederecht besteht demgemäß also nur, solange diese Tagesordnungspunkte abgehandelt werden.

Bei Vorliegen der "besonderen Betroffenheit" haben Betriebsratsvorsitzende jeden JAVi unter Mitteilung der Tagesordnung einzuladen. D.h.: Betriebsratsvorsitzende müssen bereits im Vorfeld prüfen, ob und zu welchen Tagesordnungspunkten ein besonderes Teilnahmerecht besteht, und in der Einladung auf diese hinweisen.

Praxis-Tipp: Es gibt Betriebsräte, die die JAV zur Sicherheit an der gesamten Sitzung teilnehmen lassen.

Besondere Betroffenheit
Mit "besonders" sind alle Angelegenheiten gemeint, die speziell Jugendliche und Auszubildende betreffen. Darunter fällt auf jeden Fall alles, was mit Berufsausbildung und Jugendarbeitsschutz zu tun hat. Beispiele:

  • Umsetzung der Ausbildungsordnung und des Ausbildungsrahmenplans im Betrieb,
  • Entscheidung über Betriebsvereinbarungen, die Regelungen für Azubis enthalten, z.B. Anspruch auf Förderunterricht/Nachhilfe oder generelle Freistellung unter Entgeltfortzahlung vor allen Prüfungen.

Hinweis: Von der Angelegenheit müssen auch nicht ausschließlich oder überwiegend Jugendliche/Azubis betroffen sein. Ein Beispiel:

  • Festlegung des Urlaubsplans unter Berücksichtigung der Berufsschulferien.

Besonderes Teilnahmerecht
Umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die gesamte JAV auch bei allen personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellung, Versetzung, Kündigung von Jugendlichen/Azubis oder Ausbilder*innen teilnehmen darf. Gerade bei Kündigungen spielen jugend-/ausbildungsspezifische Gesichtspunkte eine Rolle! Von daher sollten Betriebsratsvorsitzende hier ihren Spielraum nutzen und alle JAVis einladen.

Wird verhindert, dass die komplette JAV teilnehmen kann, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse. Die JAV kann aber einen Aussetzungsantrag stellen (§ 66 BetrVG). Der Beschluss muss dann für eine Woche ausgesetzt werden. In dieser Zeit können sich die Gremien mithilfe der Gewerkschaften verständigen, um erneut einen Beschluss zu fassen.

Das Stimmrecht
Den JAVis steht ein Stimmrecht dann zu, wenn von dem zu fassenden Betriebsratsbeschluss überwiegend die von der JAV vertretenen Beschäftigten betroffen sind (§ 67 Abs. 2 BetrVG). Der Begriff ist quantitativ zu verstehen: Eine "überwiegende Betroffenheit" liegt immer dann vor, wenn von der Durchführung des Beschlusses entweder alle oder zahlenmäßig mehr von der JAV vertretene Beschäftigte betroffen sind als andere Arbeitnehmer*innen. Beispiele dafür sind:

  • Beschlussfassung über Beurteilungsgrundsätze für Azubis,
  • Beschlussfassung über eine Betriebsvereinbarung "Zuschusszahlung für in der Berufsschule benötigte Lernmittel".

Hinweis: Der Begriff "überwiegend" hat auch einen kollektiven Charakter. Ein Stimmrecht besteht daher bei:

  • Beschlussfassung über die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines JAVi,
  • Beschlussfassung über die Entsendung von JAVis zu Schulungsveranstaltungen bzw. Anschaffung von Literatur etc. für die JAV,
  • Bestellung des Wahlvorstandes für die JAV-Wahl.

Vorsicht: Kein Stimmrecht besteht bei personellen Maßnahmen gegenüber Azubis/Jugendlichen.

Die Stimmen der JAVis sind bei der Feststellung der Stimmenmehrheit mitzuzählen. Dabei hat eine JAVi-Stimme dann dasselbe Gewicht wie die Stimme eines Betriebsratsmitglieds. Für die Ermittlung der Beschlussfähigkeit des Betriebsrats zählen die JAV-Stimmen aber nicht mit.

Übrigens: Die JAV muss nicht "im Block" abstimmen: Jeder JAVi ist berechtigt, seinem Gewissen folgend abzustimmen.

Wir waren nicht dabei!
Sind die JAVis nicht eingeladen und können daher nicht abstimmen, ist ein gefasster Beschluss dann als unwirksam anzusehen, wenn die Beteiligung der JAVis rein rechnerisch einen Einfluss auf das Ergebnis der Beschlussfassung hätte nehmen können bzw. ein JAV-Antrag nicht angenommen wurde. Hier droht ein Aussetzungsantrag.

Die Ausschusssitzungen
Zum Teilnahme-/Stimmrecht an Ausschusssitzungen enthält das Gesetz keinerlei Vorgaben. Damit die JAV nun nicht "ausgehebelt" wird, wird in der Literatur nicht nur ein allgemeines Teilnahmerecht an den Sitzungen, sondern auch das Stimmrecht für sämtliche Ausschüsse des Betriebsrats bejaht.

Wichtig: In den Ausschusssitzungen muss dasselbe zahlenmäßige Verhältnis bestehen wie zwischen Betriebsrat und JAV. Ein Rechenbeispiel:

  • Betriebsrat: 19 Mitglieder/JAV: 5 Mitglieder
  • Ausschuss: 7 Mitglieder/die JAV entsendet 2 Mitglieder.


(Aus der Soli aktuell 5/2023, Autor: Wolf-Dieter Rudolph)