Am 8. März ist Frauentag: Aber die Gleichstellung ist ein Ganzjahres-Job. Von Debby Neuenfeld
© Philip Nürnberger
Debby Neuenfeld ist stellvertretende Vorsitzende der ver.di Jugend. Nach Ausbildung und Arbeit im Gesundheitsbereich studiert sie derzeit Sozialökonomie in Hamburg.
Debby, wie verbringt man als Mitglied des ver.di Jugend-Vorstandes den 8. März?
Ich bin gerade erst nach Schleswig-Holstein gezogen – und ich freue mich darauf, mit den Kolleg*innen vor Ort aktiv zu werden. Ein Bezirkswechsel bedeutet für mich, viele neue Leute kennenzulernen. Und gerade für die wichtige Vernetzung unter Frauen ist der 8.März eine super Gelegenheit!
Welche Aktionen planst du für den Tag?
Ich finde es großartig, dass der Frauenkampftag so vielfältig ist – ob Vorträge, Poetry Slams oder der Besuch einer Demo, für jede ist da etwas dabei. Ich werde vermutlich erst in Hamburg bei einer Demo und dann in meinem Bezirk für kleinere Aktionen dabei sein.
Wie lautet dieses Mal die wichtigste Forderung der Gewerkschaftsjugend?
Dieses Jahr schauen wir am Frauenkampftag insbesondere auf die starken Frauen im Iran, die dort gerade eine Revolution für ihre Freiheit losgetreten haben. Wir schauen auch auf die Frauen in anderen Kriegsgebieten und sind entsetzt darüber, dass Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt als Kriegswaffen eingesetzt werden. Dieses Jahr steht für mich der Frauenkampftag im Zeichen der Solidarität mit den Frauen in Krisen- und Kriegsgebieten.
Ist die Gewerkschaftsjugend Vorreiterin in Sachen Gleichstellung?
Wir haben ein umfassendes Bildungsangebot zu feministischen Themen und wirken damit in die Betriebe und Dienststellen. Für uns ist klar: Sexismus und Diskriminierungen haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Dafür setzen wir uns tagtäglich ein!
Zum 2. Mal liegt der "Equal Pay Day" einen Tag vor dem 8. März. Hast du das Gleiche wie deine Kollegen verdient? Du kommst ja aus der Gesundheitsbranche, die traditionell weiblich dominiert ist. Wie sieht es in deinem Arbeitsumfeld aus, wo und wie begegnet dir Ungleichheit?
Dank des Tarifvertrages verdienen alle Kolleg*innen laut Entgelttabelle das Gleiche. Wenn ich mir dann aber anschaue, wie das Geschlechterverhältnis bei den Teilzeitstellen aussieht, wird eine Differenz deutlich.
Außerdem ist unbezahlte Care-Arbeit immer noch ungleich zwischen Frauen und Männern verteilt! Care-Arbeit bedeutet für die meisten Frauen einen Bruch in ihrer Arbeitsbiografie – beispielsweise gehen sie in Teilzeit oder ihnen werden Karriereschritte verwehrt. In der Regel gibt es bei Männern keinen Bruch dieser Art, was natürlich zu Ungleichheit und letztendlich auch zum Gender Pay Gap, zu ungleichem Einkommen beiträgt.
Ist Ungleichheit immer eine Geschlechterfrage?
Diskriminierung hat unfassbar viele Facetten. Auch die Diskriminierung von Trans*-Personen, die sich immer wieder erklären müssen. Denn Trans* ist mehr, als die Neo-Pronomen einer Person zu verwenden. Es kann auch Operationen bedeuten, die teilweise selbst finanziert werden müssen. Dabei geht es um eigene Entscheidungsfreiheiten, Eingriffe und z. T. hohe Kosten.
Ungleichheit zeigt sich auch bei dem Umgang mit Menschen mit Behinderungen. Wie kann es sein, dass Neubauten heute immer noch nicht barrierefrei gebaut werden? Auch die Gewalt gegenüber Menschen mit Behinderungen ist erschreckend hoch. Die ver.di Jugend hat für dieses Jahr den gesellschaftspolitischen Schwerpunkt #BarrierenEinreißen gewählt. Wir werden uns dieses Jahr ganz intensiv mit dem Thema Ableismus auseinandersetzen.
Wichtig ist, dass wir uns der Problematiken bewusst werden und sie aktiv angehen. Dann können wir Ungleichheit überwinden. Mit der Gewerkschaftsjugend kämpfen wir gemeinsam gegen Ungleichheit und Diskriminierungen.
Wie stellst du dir die Zukunft in Sachen Gleichstellung vor?
Die wichtigste Forderung der Gewerkschaftsjugend zielt für mich weiterhin auf die Problematik der ungleichen Bezahlung. Es kann nicht sein, dass Frauen immer noch weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Hier hilft formal erst mal die Tarifbindung. Dazu muss aber auch ein Umdenken im Bereich der Care-Arbeit stattfinden, damit diese nicht zu Brüchen in der Erwerbsbiografie führen muss!
(Aus der Soli aktuell 3/2023, Autorin: Soli aktuell)