Deutscher Gewerkschaftsbund

Die Ausbildungsgarantie in Deutschland und Österreich II: Christian Hofmann

Ausbildungsgarantie? Die hat unser Nachbarland Österreich schon länger. Christian Hofmann konnte damit ausgiebige Erfahrungen machen.

Christian Hofmann

© GPA

Christian Hofmann ist Bundesjugendsekretär der österreichischen Gewerkschaft der Privatangestellten, GPA. Sie ist mit rund 285.600 Mitgliedern die größte Teilgewerkschaft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.

Christian, wir in Deutschland wollen die Ausbildungsgarantie. Ihr in Österreich habt sie schon – bist du auch davon begeistert?
Grundsätzlich ja, sie ist ein solides Modell und bietet Jugendlichen, die sonst nur schlechten Zugang haben zu einem betrieblichen Ausbildungsplatz, Chancen und Perspektiven. Sie hat aber auch Schattenseiten: etwa die niedrigere Bezahlung als bei "normalen Lehrlingen" – die Entlohnung wird über den Österreichischen Arbeitsmarktservice (AMS) finanziert.

Wie sind eure Erfahrungen damit?
Das hängt von der politischen Praxis ab. Unter der schwarz-blauen Regierung (Mitte-Rechts-Bündnis von ÖVP und FPÖ, d. Red.) in den letzten Jahren gab es Kürzungen, so wurde das Einkommen für die älteren Lehrlinge reduziert. Da stellt sich dann auch immer wieder die Qualitätsfrage! Das Angebot wird von einem Anbieter über den AMS ausgeschrieben, das kann jeder machen. Aber wie es vor Ort aussieht, das ist dann immer die Frage.

Die DGB-Jugend will auf jeden Fall ein Umlagefinanzierungssystem, Betriebe zahlen in einen Fonds. Könntet ihr euch das auch vorstellen?
Ich fände das eine gute Geschichte. Dies würde Anreize für die Betriebe schaffen, auszubilden – und so die betriebliche Ausbildung stärken.

In Österreich wurde ein "systematisches Übergangsmanagement" eingeführt…
Bereits beim Übergang Schule in Beruf werden Jugendliche intensiv begleitet – mit Coaching in Abschlussklassen, Gesprächen mit Eltern und AMS, der Zusammenfassung relevanter Informationen. Niemand soll verloren gehen!

Die überbetrieblichen Ausbildungsstätten sollen eigentlich in Richtung Vollausbildung zielen, also eine komplette Lehre abbilden können. Aber in der Praxis hat sich gezeigt, dass sie manchmal nur für ein Jahr einen Ausbildungsplatz anbieten, dann kann der Jugendliche in eine betriebliche Ausbildung weitervermittelt werden.

Ließe sich ein Zukunftsfonds durchsetzen – Betriebe zahlen dort ein, und daraus wird dann die Ausbildung finanziert?
Wohl eher nicht. Es gibt zwar ein Modell in Vorarlberg, einen Branchenfonds in der Metall- und Elektroindustrie. Da zahlen Betriebe freiwillig ein, aus den Mitteln werden z.B. Lehrlingsmaßnahmen befördert. Aber als Gewerkschaftsjugend wollen wir eine einzige allgemeine Finanzierungsquelle, die von den Unternehmen gespeist wird.

Auch in Österreich ist die Zahl der Auszubildenden stark zurückgegangen, woran liegt das? Jammern eure Arbeitgeber auch über angeblichen Fachkräftemangel?
Permanent. Egal wo – von der IT-Branche über die Pflege bis hin zu Gastronomie und Hotellerie. Gerade die ist für die österreichische Ökonomie relevant. Die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) führt einmal im Jahr eine große Umfrage, den "Lehrlingsmonitor", mit rund 6.000 Befragten durch. Da schneiden z. B. Hotel- und Gastrobranche tendenziell eher schlecht ab, was die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen – etwa bei Arbeitszeiten und Entlohnung – betrifft. Die Arbeitgeber müssen da tätig werden.

Wie erging es der ÖGJ mit Corona?
Grundsätzlich ist sie relativ stabil geblieben. Aber in einzelnen Branchen ist es schwierig, Zugang zu den jungen Leuten zu finden. Im Handel und in der Pflege haben sich die Leute bis zum Umfallen abgerackert. Aber wir haben sogar einige politische Erfolge feiern können, etwa dass Lehrlinge 100 Prozent Vergütung in der Kurzarbeit bekamen. Und dass Menschen, bei denen die Prüfung verschoben werden musste, eine Entschädigung für die Ausfallzeiten bekommen haben, weil sie da ja – wenn sie bestanden hätten – schon den normalen Lohn bekommen hätten.

Wenn die DGB-Jugend in Deutschland eine Ausbildungsgarantie umsetzen wird, würde das Druck auf eure Arbeitgeber machen, die betriebliche Ausbildung zu stärken?
Ich sage mal: Eher ja, auch wenn es bei der derzeitigen politischen Großwetterlage schwierig wird.

Wenn sie die Ausbildungsgarantie mit Zukunftsfonds durchsetzt, wäre diese ein Modell für Europa?
Natürlich! Das Prinzip der Ausbildungsgarantie ist: gute Ausbildungsqualität. Die duale Ausbildung ist ein Erfolgsmodell, das andere Länder in Europa durchaus abkupfern können.

Die österreichische Ausbildungsgarantie
Die Ausbildung in Österreich erfolgt wie in Deutschland dual in Betrieb und Berufsschule. Überbetrieblich organisierte Ausbildung (ÜBA) wurde für Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz fanden, erstmals 1998 auf österreichweit einheitlicher Rechtsbasis eingerichtet ("Nationaler Aktionsplan für Beschäftigung").

Mit der Novelle des Berufsausbildungsgesetzes (BAG) 2008 gelten die spezifischen Maßnahmen des sogenannten Arbeitsmarktservice im Rahmen der überbetrieblichen Lehrausbildung (§ 30b BAG). Ergänzend zum weiterhin prioritären betrieblichen Angebot wurde nunmehr die ÜBA als regulärer Bestandteil der dualen Berufsausbildung etabliert und als Element der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 18 Jahre ausgebaut.

Und so funktioniert sie: Zum einen gibt es ein Lehrgangsmodell, das die Absolvierung der gesamten Lehrausbildung in einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung mit Praxisphasen in Betrieben möglich macht, ggf. in Kooperation mit einer betrieblichen Lehrwerkstatt. Oder die Ausbildung erfolgt in Kooperation mit Praxisbetrieben und auf Basis von Ausbildungsverträgen, die nicht die gesamte Ausbildungszeit umfassen müssen.

Teilnehmer_innen erhalten eine Ausbildungsbeihilfe. Sie beträgt für Jugendliche im ersten und zweiten Ausbildungsjahr 309 Euro sowie ab dem dritten Jahr 714,60 Euro.
Weitere Infos: hier.

(Aus der Soli aktuell 7/2022, Autorin: Soli aktuell)

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