Deutscher Gewerkschaftsbund

Ein starkes Signal auf dem 22. DGB-Kongress

Die DGB-Jugend setzt mit ihren Themen wichtige Akzente auf dem 22. DGB-Bundeskongress.

Hubertus Heil mit der Gesetzestafel

© DGB/Gordon Welters

Die Jugendaktion auf dem DGB-Kongress: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nimmt den Gesetzentwurf der DGB-Jugend entgegen.

Das Gute-Ausbildung-für-alle-Gesetz (PDF, 115 kB)

Das von der DGB-Jugend entworfene "Gesetz zur Einführung der umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie zur Stärkung der betrieblichen Ausbildung", vorgestellt bei einer Aktion der DGB-Jugend auf dem 22. DGB-Bundeskongress anlässlich der Rede von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

"Ausbildungsgarantie und Umlagefinanzierung? Passen zusammen wie Currywurst und Pommes, Eis essen und Sommer!" Mit diesen Worten richtet sich Kai Reinartz, der Vorsitzende der ver.di Jugend, an den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Beide haben sich auf der Bühne des 22. Ordentlichen DGB-Bundeskongresses im Berliner Estrel-Hotel zusammengefunden. Heil hat gerade seine Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft mit und nach Corona und inmitten des Krieges in der Ukraine vorgestellt. Nun aber haben die 50 Mitglieder der Gewerkschaftsjugend, die hier sind, die Bühne gestürmt und fordern von Heil ein Gesetz für eine Ausbildungsgarantie mit Zukunftsfonds. Denn die duale Ausbildung ist im Verschwinden begriffen, nur noch 20 Prozent der Betriebe in Deutschland bilden überhaupt noch aus.

Damit Heil dies nicht vergisst, überreichen ihm die jungen Delegierten einen übergroßen Entwurf für das "Gute-Ausbildung-für-alle-Gesetz" – mit gerade mal zwei Paragrafen:

  • § 1 Jede und jer Jugendliche hat den Anspruch auf einen Ausbildungsplatz.
  • § 2 Alle Betriebe zahlen zur Finanzierung der Ausbildung eine Umlage in den Zukunftsfonds, damit mehr betriebliche Ausbildungsplätze entstehen.

"Das ist das kürzeste Gesetz, das ich je gesehen habe", kommentiert der Arbeitsminister. Und er sichert zu: "Ich werde im Dialog mit euch Vorschläge machen, den Begriff Ausbildungsgarantie mit Leben zu füllen." Und er unterstreicht: "Ohne die Gewerkschaftsjugend wird es die Ausbildungsgarantie nicht geben. Arbeitgeber, die nicht ausbilden und über Fachkräfte jammern, machen etwas falsch."

Riesengroß ist dieser DGB-Kongress in vielerlei Hinsicht. Zum ersten Mal wird mit Yasmin Fahimi eine Frau zur DGB-Vorsitzenden gewählt, und zwar mit überragendem Ergebnis von 93,23 Prozent. Wiedergewählt wurden Stefan Körzell (97,06 Prozent), Anja Piel (96,32 Prozent) und mit tollen 97,69 Prozent Elke Hannack, die im DGB-Vorstand für die Abteilung Jugend und Jugendpolitik zuständig ist.

An dem fünftägigen Treffen nahmen 400 Delegierte aus den acht Mitgliedsgewerkschaften sowie zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland teil. Die Delegierten debattierten über rund 60 Anträge, beschlossen so die politischen Leitlinien der Gewerkschaften. Zu den Gästen zählten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der Kongress stand unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse in der Ukraine. Der scheidende DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann verurteilte die Angriffe Russlands auf das Land aufs Schärfste.

Hoffmann: "Dieser Angriff fordert schon jetzt Tausende Opfer, Millionen sind auf der Flucht, Landschaften vollkommen zerstört. Die Folgen und Auswirkungen werden uns noch Jahre beschäftigen."

DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker führte ein Gespräch mit der 96-jährigen Holocaust-Zeitzeugin Anastasia Gulej, die nun aus der Ukraine flüchten musste.

Die Delegierte Linda Weigel stellt den Antrag zur Gleichstellung vor.

"Zukunft gestalten wir" lautete das Kongress-Motto – das die DGB-Jugend in besonderer Weise ansprach: In den Schulen, Betrieben und Universitäten stehen gravierende Transformationen bevor. Bei der Arbeit, beim Wohnen, beim gesamten Leben. Bereiche, die auch beim Politik-Talk der DGB-Jugend am zweiten Kongresstag Gesprächsstoff waren, zu dem Cosima Steltner von der IG Metall Jugend die jungen Politiker_innen Kevin Kühnert (SPD), Max Lucks (Die Grünen), Florian Müller (CDU), Heidi Reichinnek (Die Linke) und Jens Teutrine (FDP) zu einem politischen WG-Gespräch eingeladen hatte.

Die Themen spiegelten sich auch bei den fünf Anträgen der Gewerkschaftsjugend wider: Die Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung wurde ohne jede Gegenstimme angenommen – ein starkes Signal! Nun gilt es, in Politik und Wirtschaft auf die entsprechenden Veränderungen zu drängen.

Cosima Steltner brachte einen Antrag zum dualen Studium ein. Duale Studiengänge sind mittlerweile fester Bestandteil der Berufsqualifizierung und stellen mit ihrem Anspruch der Aufrechterhaltung von Wissenschaftlichkeit bei gleichzeitiger Ausweitung betrieblicher Praxisphasen ein besonderes Studienformat dar – fast ohne Regelungen! Die DGB-Jugend hat hier Vorschläge zu Vergütung, Mitbestimmung und gesetzlichem Rahmen formuliert.

"Zukunft gestalten wir" lautete das Kongress-Motto – das die DGB-Jugend in besonderer Weise ansprach: In den Schulen, Betrieben und Universitäten stehen gravierende Transformationen bevor.

Ein weiterer Antrag befasste sich mit Diversität: Der DGB wird sich mit der Akzeptanz von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Vielfalt am Arbeitsplatz, in Gewerkschaften und der Gesellschaft stärker auseinandersetzen.

Und erstmals gemeinsam mit dem DGB-Bundesfrauenausschuss brachte die Jugend zwei Anträge – zu den Themen Häusliche Gewalt (eingebracht von Jennifer Otto, JUNGE GRUPPE (GdP)) und Geschlechterstereotype (eingebracht von Linda Weigel, JungeGEW)  – ein, die sich explizit an junge Frauen richten. Zudem unterstützte der DGB-Bundeskongress die Initiative TVStud für studentische Beschäftigte an Hochschulen – eine Gruppe von rund 300.000 Personen, die von Tarifierung und Mitbestimmung bundesweit teilweise oder ganz ausgenommen ist. Und das im öffentlichen Dienst!

Um Zukunft ging es auch in der berührenden Rede der Jugenddelegierten Franziska Aurich. In der Debatte um einen Antrag, in dem das Zurückdrängen von Nazis aus dem öffentlichen und betrieblichen Raum gefordert wurde, beschrieb sie eindringlich, wie es sich als junger Mensch im Bundesland Sachsen lebt – unter ständiger Bedrohung von rechts. Sie sei weggezogen, sagte die junge Gesundheits- und Krankenpflegerin. Aurich: "Ich glaube, ich fände es richtig schön, wenn ich irgendwann mal die Perspektive sehen würde – und auch viele andere von meinen Kolleg_innen aus der Schulklasse etc. sehen würden –, dass wir wieder nach Hause zurückkommen können und Antifaschismus leben können. Deswegen ist Gewerkschaft so wichtig."

An dieser Wichtigkeit ließen die DGB-Jugend und die anderen Delegierten dieses Kongresses keinen Zweifel aufkommen.


Weitere Infos: https://jugend.dgb.de/dgbbundeskongress2022

(aus der Soli aktuell 6/2022, Autorin: Soli aktuell)