Deutscher Gewerkschaftsbund

Pflegemängel beheben in Berlin

Die Berliner "Krankenhausbewegung" machte bundesweit Furore. Für neue Tarifvereinbarungen musste sie schwer kämpfen und hat auf den Pflegenotstand in Deutschland aufmerksam gemacht. Gianluca Graef von der Tarifkommission Ausbildung berichtet über die für die Auszubildenden erzielten Erfolge.

 Gianluca Graef

© Privat

Gianluca Graef, 22, ist gelernter Gesundheits- und Krankenpfleger und hat seine Ausbildung Ende Oktober 2021 beendet. Er arbeitet auf einer Intensivstation.

Gianluca, was bedeutet der Abschluss bei Vivantes und der Charité für Auszubildende?
Durch den Tarifabschluss haben wir zwei Dinge erreicht, die zu einer besseren praktischen Ausbildung führen können. Erstens: Auszubildende erhalten einen Belastungsausgleich, wenn sie in einer unterbesetzten Schicht arbeiten – genauso wie examinierte Pflegekräfte.

Eine Gleichstellung ist dies nicht, da wir Auszubildenden nur einen Drittel Punkt bekommen, die Examinierten hingegen einen ganzen Punkt. Aber es ist ein richtiger Schritt, da damit immerhin anerkannt wird, dass die Auszubildenden – auch wenn sie für die Patient_innen auf den Stationen nicht die Verantwortung tragen – genauso von unterbesetzten Schichten betroffen und belastet sind wie examinierte Pflegekräfte.

Und als zweites?
Wir konnten auch durchsetzen, dass die Anwesenheit der Praxisanleiterin oder des -anleiters ein essenzieller Teil der praktischen Ausbildung auf den Stationen ist. Dabei war es uns sehr wichtig, dass der Arbeitgeber sicherstellen muss, dass diese Person freigestellt wird und wir mehr als die gesetzlich vorgegebenen zehn Prozent Praxisanleitung in unserer Ausbildungszeit erhalten.

Wen betreffen die Tarifabschlüsse?
Alle Auszubildenden der Pflegefachberufe des Berliner Bildungscampus.

Welche Ausbildung hast du denn selbst gemacht und wie waren da die Ausbildungsbedingungen?
Ich bin zum Gesundheits- und Krankenpfleger ausgebildet worden. Dieser Ausbildungsgang wird nächstes Jahr auslaufen und von der Ausbildung zum Pflegefachmann/Pflegefachfrau abgelöst. Durch den Mangel in der Pflege werden Menschen schon während der Ausbildung in Situationen geworfen, derer sie nicht Herr werden können – sie können die Verantwortung gegenüber den Patient_innen gar nicht tragen. Das wird sich auch nur ändern, wenn es mehr Pflegepersonal gibt.

Wirst du dich denn in der Sache weiter engagieren?
Aber klar! Der nächste Streik steht dieses Jahr bei den Verhandlungen zum Tarifvertrag im öffentlichen Dienst an.

Demo

© ver.di-Jugend

Kämpften über viele Wochen: die Auszubildenden der Berliner Kliniken.

Das haben die Auszubildenden der Charité und bei Vivantes erreicht
Bei den Tarifverhandlungen zur Entlastung der Beschäftigten bei Vivantes, dem größten kommunalen Klinikkonzern in Deutschland, und der Charité, einem von Deutschlands größten Krankenhäusern, haben sich die Gewerkschaft ver.di und die Arbeitgeber auf Eckpunkte für Tarifverträge geeinigt, die am 1.Januar 2022 in Kraft getreten sind. Festgeschrieben wurden Regeln für Zeit und Entgelt. Zur Förderung der Ausbildung werden u.a. Mindestzeiten für die Praxisanleitung definiert:

  • Es wird eine organisatorische Einarbeitung auf Station an den ersten zwei Einsatztagen durch eine_n Beschäftigte_n aus dem Stammpersonal geben, die auch als feste Bezugsperson für Anliegen ansprechbar ist. Sollte diese Bezugsperson nicht in denselben Schichten wie die/der Auszubildende arbeiten, muss eine Vertretung mit denselben Qualifikationen benannt werden. Die Einarbeitungstage dürfen nicht als Praxisanleitungen gelten.
  • Ein Dienstplanentwurf wird eingeführt, der mindestens acht Wochen vor dem Praxiseinsatz zur Verfügung gestellt wird und von da an nur durch die Zustimmung durch die/den Auszubildende_n geändert werden kann.
  • Bei Vivantes wird eine Praxisanleitung mit 12,5 Prozent Zeitanteil pro Praxiseinsatz mit dem Schlüssel von einer freigestellten Person für die Praxisanleitung auf maximal zwei Auszubildende eingeführt (zweites Laufjahr des Tarifvertrages: 15 Prozent). Bei der Charité sind es ab sofort 15 Prozent.
  • Zu Beginn des Praxiseinsatzes wird es ein ausführliches Gespräch geben zu den Ausbildungsinhalten; am Ende ein ausführliches, reflektierendes Abschlussgespräch und wöchentliche Feedbackgespräche.
  • Die Praxisanleitung und die Einarbeitungstage werden im Dienstplan als solche gekennzeichnet und den oder die betreffende Praxisanleiter_in freigestellt.
  • Neu ist der Belastungsausgleich, falls die genannten Forderungen nicht erfüllt werden oder Auszubildende auf einer unterbesetzten Station eingesetzt werden.
  • Außerdem haben sich die Arbeitgeber dazu verpflichtet, in bestimmten Situationen ein Drittel Belastungspunkt zuzuteilen, wenn die Schicht unterbesetzt ist.
  • Bereits am Ende des zweiten Ausbildungsjahres erhalten Auszubildende ein konkretes Übernahmeangebot.
  • Darüber hinaus: Bei der Charité werden drei zusätzliche Ausbildungsstationen und eine Intensivlernstation eingerichtet. Bei Vivantes gibt es Notebooks für alle Auszubildenden.

Infos: https://gesundheit-soziales-bb.verdi.de, https://berliner-krankenhausbewegung.de

(aus der Soli aktuell 3/2022, Autorin: Soli aktuell)