Deutscher Gewerkschaftsbund

Azubiwerk: Es geht um mehr als Wohnen

München bekommt ein Azubiwerk – und die DGB-Jugend hat daran einen kräftigen Anteil, sagt Kristofer Herbers.

© DGB/Kathrin Biegner

Kämpft für korrekten Wohnraum in einer der teuersten Städte Deutschlands: Kristofer Herbers, Jugendsekretär des DGB München.

Kristofer, was ist ein Azubiwerk?
Studierende haben das Studierendenwerk, das sie unterstützt, das Wohnheime betreibt, das Beratung anbietet. Für Auszubildende gibt es so etwas nicht – und das soll sich in München jetzt endlich ändern.

Das Azubiwerk soll den 42.000 Münchner Auszubildenden vor allem bezahlbaren Wohnraum anbieten, aber auch als Vernetzungsplattform für Beratungsangebote und Mitbestimmungsmöglichkeit für die Auszubildenden dienen.

Was kann so ein Azubiwerk bewirken?
Vor allem natürlich, dass schnell bezahlbare Wohnungen geschaffen werden, um auch Auszubildenden ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Selbstbestimmt heißt dabei aber auch, dass sie mitreden können müssen – indirekt über die Interessenvertretungen, aber auch direkt in Form von Bewohnerräten.

Gibt es bereits Vorbilder für diese Art Organisation?
Bisher gibt es nur in Hamburg ein vergleichbares Projekt, vor allem in dieser Größe. Dort ist das Azubiwerk allerdings eine Stiftung, während wir in München eng mit der Stadt kooperieren und diese auch die Wohnheime bauen soll.

Wie sieht es für junge Menschen, die eine Ausbildung machen, bei euch aus?
München hat ein Luxusproblem: Bei uns bleiben seit langem viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Ein Grund dafür ist, dass die Stadt schlichtweg zu teuer ist. Selbst mit einer sehr hohen Vergütung ist es eigentlich unmöglich, eine eigene Wohnung zu finanzieren – sogar Zimmer in Wohngemeinschaften kosten meistens 500 Euro und mehr. Dagegen steht eine durchschnittliche Ausbildungsvergütung von 963 Euro brutto.

Es muss also etwas getan werden, damit nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt, wer hier eine Ausbildung machen kann. Aber auch Menschen, die eventuell schon eine Familie haben oder besondere Bedürfnisse, fallen gerade durch das Raster.

Für Auszubildende ist das Azubiwerk ein riesiger Schritt: Perspektivisch sollen 1.000 Wohnungen geschaffen werden. Da es dabei auch Doppel- und Familienapartments geben soll, rechnen wir mit rund 1.500 Auszubildenden, für die wir bezahlbaren Wohnraum schaffen werden.

Welchen Anteil hat die DGB-Jugend München an der Entwicklung?
In einer der ersten Sitzungen der Arbeitsgruppen wurde ich von einem Kollegen aus dem Referat Arbeit und Wirtschaft der Stadt München angesprochen, dass er die ersten Gespräche über ein Azubiwerk mit einem Vorgänger von mir geführt hätte – in den 1990er Jahren!

Es war also ein sehr langer Weg, bei dem wir als DGB-Jugend stets beteiligt waren. Trotzdem hat es sehr lange gedauert, bis sich endlich eine Mehrheit im Stadtrat gefunden hat, die auch bereit war, das nötige Geld in die Hand zu nehmen. Der erste Meilenstein war dabei 2018 die Eröffnung eines Wohnheims mit 118 Wohnungen als Modellprojekt. Dort waren wir auch schon bei der Erarbeitung des Konzepts beteiligt und haben eine Studie zum Azubi-Wohnen erstellt.

Azubi Werk München

© DGB-Jugend München

Bauen ist angesagt – jetzt mit Hilfe der DGB-Jugend München.

Das Azubiwerk wird aber nochmal ein ganz anderes Kaliber sein, vor allem weil es ganz andere Strukturen, vor allem zur Mitbestimmung, beinhaltet. Wir sind deshalb sehr stolz, dass die ganze Arbeit mehr Früchte trägt, als wir uns je erhofft hätten.

Welche Rolle wird die DGB-Jugend künftig im Azubiwerk spielen?
Als DGB-Jugend sind wir mit der Landeshauptstadt München und dem Kreisjugendring (KJR) München-Stadt gemeinsame Gründer des Azubiwerks. Zur Vorbereitung der Gründung wurden vier Arbeitsgruppen gebildet. Wir sind dabei in dreien vertreten; vor allem aber leite ich gemeinsam mit einem Kollegen des Kreisjugendrings die Arbeitsgruppe zu Beteiligungsformen, pädagogischem Konzept und Vergabekonzept für die Plätze.

Wir sind also inhaltlich stark eingebunden und können vor allem die Interessen der Auszubildenden dort vertreten, wo es wirklich wichtig ist: bei Fragen, wer Plätze bekommt, wie sie gestaltet sind – und vor allem, wie die Auszubildenden später mitreden können. Dazu haben wir auch gemeinsam mit dem KJR einige zu Workshops eingeladen, um von Anfang an Partizipation zu ermöglichen und die Stimmen derer mitzunehmen, für die das Projekt ja überhaupt da ist.

Nach Gründung des Azubiwerks wird die DGB-Jugend voraussichtlich einen der Plätze in seinem Vorstand erhalten. Außerdem wird es einen Beirat mit gesellschaftlichen Akteur_innen geben, wo wir ebenfalls vertreten sein werden. Und natürlich werden wir gemeinsam mit dem KJR auch mit den Hausräten etc. arbeiten. Wir werden die Interessen der Auszubildenden also auch langfristig auf allen Ebenen des Azubiwerks vertreten.

Sollte es auch bundesweit ein Azubiwerk geben?
Natürlich! München ist eine reiche Stadt, die es sich leisten kann, ein Azubiwerk zu gründen. Andere Städte können das nicht, obwohl sie auch zu teuer sind, als dass Azubis dort selbstbestimmt leben können. Der Bund muss hier Verantwortung übernehmen – damit alle Auszubildenden in Deutschland die Möglichkeit haben, bezahlbaren Wohnraum zu bekommen und dabei mitreden zu können.

Das Azubiwerk München
Auszubildende gehen auf dem (Münchner) Wohnungsmarkt viel zu oft leer aus. Deshalb hat sich die DGB-Jugend München für das Azubiwerk eingesetzt und gemeinsam mit dem Kreisjugendring München-Stadt über viele Monate hinweg an einem entsprechenden Beschluss für den Stadtrat mitgearbeitet, der letztlich einstimmig angenommen wurde. Nun werden 34 Millionen Euro für den Bau von Wohnungen und den Kauf von Belegrechten bereitgestellt.

Beim Azubiwerk geht es um mehr als Wohnen: Es soll bei allen Fragen rund um die Ausbildung den/die richtige Ansprechpartner_in vermitteln, Mitbestimmung von Auszubildenden zum Kern des Projektes machen und für sie Stellung beziehen.
Infos: https://bayern-jugend.dgb.de

(aus der Soli aktuell 3/2022, Autorin: Soli aktuell)