JAVen sind ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung in den Betrieben. Geforscht wird zu ihnen nur selten. Magdalena Krüger hat das nun geändert und eine Masterarbeit zur JAV-Arbeit geschrieben.
© Simone M. Neumann
Magdalena, du hast deine Abschlussarbeit über Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) geschrieben, insbesondere über die Kompetenzen, die sie haben sollten – und möchten. JAV-Arbeit ist selten ein Forschungsthema – wie kamst du dazu?
In der Wirtschaftspädagogik ist die Ermittlung von Kompetenzprofilen oft Forschungsgebiet, z.B. werden notwendige Kompetenzen für gewisse Ausbildungsberufe ermittelt. Als ehemalige Jugend- und Auszubildendenvertreterin, Betriebsrätin und Teamerin von JAV-Seminaren fand ich es besonders spannend, zu sehen, welche Kompetenzen Interessenvertretungen brauchen. Während des Studiums habe ich mich schon mit der Literatur zu den Kompetenzanforderungen an Betriebsräte beschäftigt und dabei festgestellt, dass es zur JAV-Arbeit fast gar keine Forschung gibt. Deshalb möchte ich mit meiner Masterarbeit auf diese Forschungslücke hinweisen und einen ersten Schritt auf diesem – meiner Meinung nach hochspannenden – Gebiet gehen.
Warum wird dazu so wenig geforscht?
Das ist mir selbst ein Rätsel. Offensichtlich werden die JAVen noch nicht in der Breite als das wichtige Mitbestimmungsorgan wahrgenommen, das sie sind. Auch die Hans-Böckler-Stiftung und das Bundesinstitut für Berufsbildung haben dieses Forschungsgebiet bisher kaum behandelt, und wenn, dann eher in Zusammenfassung mit Betriebsräten.
Du hast eine Umfrage bei den JAVen gemacht. Wie viele haben geantwortet?
Insgesamt hat das Umfrage-Tool 132 Antworten erfasst, 113 davon waren vollständig und sind in die Auswertung eingeflossen.
Was wolltest du wissen?
Neben den Fragen zu demografischen Angaben, dem Betrieb, dem JAV-Gremium und den Seminarerfahrungen der teilnehmenden Person hat der Fragebogen zwei große Bestandteile: Im ersten Teil wird aus dem Grad der Zustimmung der Befragten zu verschiedenen Aussagen (vier Stufen von "Stimme gar nicht zu" bis "Stimme absolut zu") das Kompetenzniveau, also der Ist-Stand, ermittelt. Die Kompetenzen, die behandelt werden, habe ich aus der Literatur zu Betriebsräten entnommen.
"Sich den Bedürfnissen junge Menschen widmen – das ist die JAV."
Im zweiten Teil geben die Befragten frei formulierte Antworten auf offene Fragen, in denen sie z.B. den eigenen Weiterbildungsbedarf und die aus ihrer Sicht wichtigsten Fähigkeiten und Fertigkeiten für JAVen, also den Soll-Stand, bestimmen. Es wird auch ein Ranking aller betrachteten Kompetenzen vorgenommen.
Insgesamt gibt der Datensatz eine große Anzahl an Informationen, die ich gar nicht alle für die Beantwortung meiner Forschungsfrage verwendet habe. Man könnte mit diesem Material noch viele weitere Fragen untersuchen.
Du wolltest gezielt herausfinden, welche Defizite es bei den Kompetenzen der JAVen gibt. Was ist dabei herausgekommen?
Neben der Befragung der JAVen mit dem Fragebogen habe ich auch 17 Interviews mit Expert_innen aus dem Umfeld der JAV, mit Vertreter_innen von Betriebsräten, Gewerkschaft, Politik und Arbeitgeberseite geführt. Beim Thema "Defizite" ist es besonders spannend zu sehen, dass die Expert_innen überhaupt keine Defizite in der Fachkompetenz feststellen, sondern eher Verbesserungspotenzial bei der Strukturierung der JAV-Arbeit und in der Kommunikation mit den anderen Akteuren – insbesondere mit Betriebsrat und Gewerkschaft – sehen.
Die JAV-Mitglieder selbst fühlen sich dagegen gerade auf dem Gebiet der Fachkompetenz unsicher und sehen dort noch mehr Schulungsbedarf. Strategische Kompetenzen, z.B. zur Erreichung gesetzter Ziele, und die Kommunikation mit den Vertretenen wurden aber auch genannt. Ganz besonders deutlich zeigen die Ergebnisse, dass die größten Defizite im Bereich der Vertretung dual Studierender bestehen. Hier gibt es sehr viele Unsicherheiten, etwa darüber, wie duale Studiengänge überhaupt aufgebaut sind.
Gibt es auch – unerwartete – Stärken?
Wenn man versucht, möglichst unvoreingenommen an eine Forschungsfrage heranzugehen, sind ja quasi alle Ergebnisse unerwartet. Die Erhebung der Kompetenzprofile, unterteilt nach Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz, zeigt, dass die JAVen im Bereich der Sozialkompetenz am stärksten sind, und auf diesem Gebiet ganz besonders in den Teilsegmenten der Team- und der Kommunikationskompetenz.
© Privat
Magdalena Krüger, 26, hat die Master-Arbeit "Kompetenzen von Jugend- und Auszubildendenvertretung" an der Universität München im Fach "Wirtschaftspädagogik II" geschrieben. Während ihrer Ausbildung zur Hotelkauffrau in den Hilton Hotels München war sie JAV-Mitglied. Sie ist bei jungeNGG aktiv. Nach einem Praktikum bei der EFFAT (European Federation of Food, Agriculture and Tourism Trade Unions) in Brüssel ist sie nun bei der NGG als Sekretärin zur Ausbildung und möchte dort als Gewerkschaftssekretärin arbeiten.
Welche Anforderungen kann man aus den Ergebnissen ableiten? Deine Zielsetzung war ja auch, Bedarfe für JAV-Schulungskonzepte zu erarbeiten.
Die Ergebnisse zeigen zunächst einmal, dass stark "theorielastige" Grundlagenseminare, die vor allem auf Wissensaufbau abzielen, insofern ihre Berechtigung haben, als die JAVen selbst das Bedürfnis haben, ein fachliches Grundwissen zu erlangen. Sie fühlen sich erst dadurch in der Lage, andere zu vertreten, obwohl die befragten Expert_innen der Meinung sind, es reiche zu wissen, "wo man nachschlagen kann".
Die geäußerten Wünsche an Schulungsangebote machen aber auch deutlich, dass die JAVen sehr unterschiedliche Ausgangssituationen und Bedürfnisse haben. Dem könnte durch ein modulares Schulungsangebot begegnet werden, sodass sich die JAVen ihren "Trainingsplan" selbst zusammenstellen können.
Welche Rolle nimmt die Gewerkschaftsjugend in deiner Arbeit ein?
Der methodische Aufbau der Arbeit ist unterteilt in die Befragung von JAVen aller Branchen auf der einen und Interviews mit Expert_innen aus deren "Umfeld" in der Hotellerie auf der anderen Seite. Eine der vier Expert_innen-Gruppen bestand aus vier Hauptamtlichen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die in der Jugendarbeit tätig sind. Die Sichtweise der Gewerkschaftsjugend – vertreten durch die NGG – auf die Kompetenzen von JAVen ist also maßgeblich mit in die Ergebnisse eingeflossen. Zudem ist im Schlussteil eine beispielhafte Betrachtung der JAV-Schulungskonzepte von ver.di, IG Metall und NGG bei der Vorstellung der Implikationen für Seminarangebote enthalten.
Und natürlich war die Gewerkschaftsjugend für die Erstellung der Arbeit sehr wichtig: Durch die tatkräftige Unterstützung und Verbreitung der Umfrage über die DGB-Gewerkschaftsjugenden habe ich überhaupt erst diesen Rücklauf an Ergebnissen erzielen können.
Du warst selbst Jugend- und Auszubildendenvertreterin. Welchen Eindruck hast du von der Arbeit der JAVen – sind sie sehr wichtig in ihrer Funktion im Betrieb und für die Auszubildenden?
Ich finde die Arbeit der JAVen absolut wichtig! Ausbildung ist ein umfangreiches und wichtiges Thema, schließlich geht es um die Zukunft! Da ist es notwendig, Expert_innen zu haben, die sich genau diesem Thema und den Bedürfnissen der jungen Menschen im Betrieb widmen und nah an der Gruppe sind – genau das ist die JAV. Diese betriebliche Mitbestimmungsmöglichkeit steigert aus meiner Sicht auch die Attraktivität der dualen Ausbildung und stellt einen wichtigen Aspekt der Ausbildung mündiger und handlungsfähiger Fachkräfte dar.
Was soll mit den Ergebnissen geschehen?
Ich hoffe, dass sie vor allem Ausgangspunkt dafür sind, dass das Thema "JAV" endlich auch als Forschungsgegenstand entdeckt wird und mehr Aufmerksamkeit erfährt. Und vielleicht nutzen die Erkenntnisse ja auch dem ein oder anderen Teamendenkreis bei der Erstellung der Schulungskonzepte.
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Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) ist die Interessenvertretung der Auszubildenden und Jugendlichen im Betrieb oder der Dienststelle. Sie achtet darauf, dass Gesetze, Tarifverträge und Betriebs- und Dienstvereinbarungen eingehalten werden. Sie ist die Ansprechpartnerin, wenn irgendwas falsch läuft.
Das JAV-Portal ist ein Angebot der DGB-Jugend. Hier findet ihr Materialien für die Arbeit vor Ort: Arbeitshilfen, Plakate, Statik-Sticker-Vortagen und vieles mehr.
www.jav-portal.de
(aus der Soli aktuell 1/2022, Autorin: Soli aktuell)