Deutscher Gewerkschaftsbund

"Dr. Azubi" und der Ausbildungsstart

Die Umstellung vom Schülerleben auf einen Ausbildungsalltag ist nicht leicht. Daher gib dir Zeit. Nicht ohne Grund dauern die meisten Ausbildungen mehr als drei Jahre.

Julia Kanzog

Azubi-Ratgeberin Julia Kanzog

 

Neu im Betrieb
Zeige dich während deiner Probezeit von deiner besten Seite, unentschuldigtes Fehlen oder zu spät zu kommen ist ein absolutes No-Go. Finde heraus, wer für dich zuständig und deine Ansprechperson ist.

Für jeden Beruf gibt es einen Ausbildungsrahmenplan und einen betrieblichen Ausbildungsplan. Ersterer muss deinem Ausbildungsvertrag beigelegt werden. Wenn seine Punkte nicht eingehalten werden, dann solltest du hellhörig werden. Erkundige dich, woran das liegt und hole dir Informationen ein. Sei neugierig und frag nach, wenn dir Ausbildungsabläufe unklar sind. Es ist normal, wenn du zu Beginn viele Fragen hast. Das zeigt dein Interesse an deiner Ausbildung. Mache dir Notizen zu deinen Arbeitsabläufen. Bei so einer Informationsflut ist es gut, wenn du dir eine gute Lernstruktur schaffst. Informiere dich über deine Rechte und Pflichten. Nutze die Probezeit, um deinen Betrieb und den Beruf zu testen.

Gespräche im Betrieb
Pausenzeiten können wertvolle Zeit sein zur Erholung und zum informellen Austausch mit deinen Kolleg_innen. Aller Anfang ist schwer: Gib deiner Ausbildung Zeit und wäge Alternativen ab, wenn es gar nicht gut läuft in deiner Ausbildung. Hol dir Unterstützung bei deiner Jugend- und Auszubildendenvertretung und wende dich an "Dr. Azubi".

Besondere Konditionen
Nach der Probezeit stehst du unter einem besonderen Kündigungsschutz. Du kannst nur außerordentlich und fristlos gekündigt werden, wenn du extremst gegen deine Pflichten als Auszubildende_r verstoßen hast. Also trau dich, deine Rechte einzufordern, wenn deine Ausbildung nicht nach Plan läuft! Im "Dr. Azubi"-Forum gibt es zahlreiche Anfragen von Auszubildenden, die mit ihrer Ausbildung nicht zufrieden sind.

Sollte sich nach der Probezeit nichts geändert haben, dann gilt es für dich, das Gespräch zu suchen. Gerade in heiklen Situationen ist es wichtig, während des Gesprächs bei sich zu bleiben, um keinen Angriff oder eine Abwehrhaltung zu provozieren. Binde die JAV oder den Betriebs- bzw. Personalrat in diese Gespräche mit ein.

Positive Botschaften
Im Gespräch könntest du deine Situation verdeutlichen, indem du in der ICH-Form sprichst: "Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass ich selten eine Ansprechperson an meiner Seite habe." Wenn du sagen würdest: "Sie sind nie für mich da", wirst du kein offenes Ohr bei deinem_ deiner Chef_in finden. Pauschalisierungen wie "Immer muss ich…", "Nie lerne ich etwas" – sind keine gute Herangehensweise in Verhandlungen und verursachen Gegenangriffe.

Die Suche nach Ausnahmen ist ein wichtiger Punkt bei Verhandlungen. So könntest du fordern: "Den Morgendienst kann ich nun schon gut, dennoch fehlen mir noch wichtige Ausbildungsinhalte des gültigen Rahmenlehrplans, um die Abschlussprüfung gut schaffen zu können." Das ruft eine ganz andere Wirkung hervor.

Wenn nichts hilft
Wenn du mit dem Gespräch nicht weiterkommst, kann es sinnvoll sein, dass du dir Unterstützung holst. Dies kann von intern oder von extern sein. Der Betriebsrat bzw. Personalrat und die JAV sind euer Sprachrohr in der Ausbildung. Gibt es keine Interessenvertretung im Betrieb, kann es sinnvoll sein, eine neutrale dritte Person mit ins Boot zu holen, gerade wenn der Konflikt nicht lösbar scheint oder gar zu eskalieren droht.

Last but not least: Wenn ihr merkt, ihr kämpft gegen Windmühlen, der Betrieb lässt absolut keine Änderung zu und eure Energie wird immer geringer, wartet nicht bis kurz vor eure Abschlussprüfung.

Daher gilt: lieber wechseln als abbrechen. Und hier ist eine gute Vorbereitung wichtig. Sucht euch erst in Ruhe eine neue Ausbildungsstelle, solange ihr noch in einem bestehenden Ausbildungsverhältnis seid. So ist eure Verhandlungsposition viel besser. Denn schließlich habt ihr etwas an der Qualität der Ausbildung auszusetzen und fordert lediglich euer Recht nach einer guten Ausbildung.

Der falsche Beruf?
Und was ist, wenn ich erst während meiner Ausbildung merke, dass ich die absolut falsche Berufswahl getroffen habe?

Beruhige dich erst einmal. Dich kann niemand zwingen, die Ausbildung zu Ende zu führen. In Deutschland gilt die Berufsfreiheit, d.h. wenn du merkst, dass du die falsche Berufswahl getroffen hast, kannst du jederzeit mit einer Frist von vier Wochen deine Ausbildung wegen Berufsaufgabe kündigen.

Es ist natürlich ratsam, nicht überstürzt zu kündigen. Finde erst einmal heraus, was dich an deiner Ausbildung stört: Sind es die Inhalte und Gegebenheiten, die in dem Beruf herrschen? Oder ist es das Betriebsklima und die mangelnde Ausbildungsqualität in deinem Betrieb?

Im zweiten Fall kann ein Ausbildungsplatzwechsel ratsam sein. Wenn du bereits im dritten Ausbildungsjahr bist, kann es sinnvoll sein, die Ausbildung noch abzuschließen und sich danach umzuorientieren. Wenn du dir absolut sicher bist, nicht mehr in deinem Ausbildungsberuf arbeiten zu wollen, dann ist es die richtige Entscheidung, einen anderen Weg einzuschlagen.

Check: Für eine gute Ausbildung

  • Du erhältst deinen Ausbildungsvertrag vor Ausbildungsbeginn.
  • Es gibt eine_n Ausbilder_in, die_der fachlich und pädagogisch qualifiziert ist.
  • Du hast die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Arbeitsabläufe werden gezeigt und erklärt.
  • Es wird darauf geachtet, dass die gesetzlichen Arbeits- und Pausenzeiten eingehalten werden.
  • Der betriebliche Ausbildungsplan wird eingehalten.
  • Du besuchst von Beginn an die Berufsschule.


(aus der Soli aktuell 9-10/2021, Autorin: Julia Kanzog)

Die DGB-Jugend ist für dich da!
Die DGB-Jugend hat passend zum Ausbildungsstart ihren "Kompass: Ausbildung" aktualisiert. Er dient als Orientierungshilfe und soll junge Menschen auf dem Weg durch ihre Ausbildung begleiten – vom Start bis zum erfolgreichen Abschluss. Er enthält alles Wichtige rund um Rechte, Pflichten und Möglichkeiten, beispielsweise im Hinblick auf finanzielle Hilfen während der Ausbildung oder im Falle des Elternwerdens.

Zum Bestellen oder im Download: https://jugend.dgb.de/broschueren

Hier geht es zum DGB-Jugend-Dossier Ausbildungsstart: https://jugend.dgb.de/ausbildungsstart

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