Gremienarbeit: Die komplizierte Welt der Bestimmungen für nachrückende JAV-Mitglieder.
Die Grundlagen
Sowohl in den Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAVen) als auch in Betriebsräten herrscht häufig Unklarheit über den Umgang mit JAV-Ersatzmitgliedern und ihrem Rechtsstatus.
Dabei gibt es dafür zunächst mal klare gesetzliche Vorgaben: Nach Möglichkeit sollen doppelt so viele Kandidat_innen aufgestellt werden, wie Sitze zu vergeben sind. Dadurch will der Gesetzgeber erreichen, dass eine kontinuierliche Interessenvertretung für die gesamte Amtszeit gewährleistet ist - also keine außerordentliche Neuwahl stattfinden muss.
Denn die ist schon dann durchzuführen, wenn die vom Wahlvorstand ermittelte Anzahl der JAV-Mitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder nicht mehr erreicht werden kann (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG). Wer "ordentliches" JAV-Mitglied ist, wird anhand des Wahlergebnisses vom Wahlvorstand festgelegt. Für Kandidat_innen, die nicht JAVi geworden sind, ist die Angelegenheit nicht erledigt - sie sind Ersatzmitglieder. Ausnahme: Die Wahl wurde als "Mehrheitswahl " durchgeführt - es gab eine Kandidatenliste, es konnten nur Einzelkandidat_innen gewählt werden. Wer da überhaupt keine Stimme erhalten hat, nimmt auch nicht auf der "Reservebank " Platz.
Verhinderung
Für die JAV-Ersatzmitglieder gelten dieselben Grundsätze wie für die des Betriebsrats. Nach Ausscheiden eines JAVis aus dem Ehrenamt rückt ein Ersatzmitglied nach (§ 65 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 BetrVG). Das nachgerückte Ersatzmitglied ist dann ordentliches JAV-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten.
Auch bei einer zeitweiligen Verhinderung des ordentlichen JAV-Mitgliedes liegt ein Vertretungsfall vor. Denn es ist egal, ob es um einen halben Tag oder ein halbes Jahr geht. Nach "Rückkehr" des vertretenen JAVis geht es wieder auf die "Reservebank". Verhinderungsgründe können sein:
Rechtliche Grundlagen
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): §§ 64 i.V.m. § 13; § 65 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 und § 37 Abs. 6; § 78; § 78a; § 103
Kündigungsschutzgesetz (KSchG): § 15
Im Vertretungsfall ist das Ersatzmitglied genauso zu behandeln wie reguläre JAVis. Für JAV-Vorsitzende heißt das: Weitergabe von Infos über sämtliche Aktivitäten, also Einladungen zur Teilnahme an Sitzungen, Sprechstunden und Versammlungen. Vorsitzende müssen alles tun, damit die JAV kopfmäßig komplett ist. Wenn also noch Ersatzmitglieder im Betrieb sind, müsst ihr ihnen auch unabhängig von der Beschlussfähigkeit die Teilnahme an einer Sitzung ermöglichen.
Aufgaben
Auch den Nachrücker_innen können im Vertretungsfall Aufgaben übertragen werden, etwa die Durchführung einer Auszubildenden-Befragung. Sie sind auch zur Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats und seiner Ausschüsse berechtigt. Besonders wichtig ist der Info-Austausch zwischen einer einköpfigen JAV und Ersatzmitgliedern, gern auch über digitale Medien. Achtung: Zeit, die ihr für einen persönlichen Treff zum Austausch benötigt, muss der Arbeitgeber nicht zwingend vergüten! Tipp: Schaut nach, ob es eine entsprechende Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gibt. Nicht vergessen: Bei einköpfigen JAVen muss den Nachgerückten auch die Teilnahme an Sitzungen der oberen Gremien wie z. B. Gesamt-JAV ermöglicht werden.
Infos an Ersatzmitglieder
Betriebsrat und JAV sollten Ersatzmitgliedern vor ihrem ersten Einsatz einige grundlegende Infos mitgeben. Dazu gehört der Hinweis auf den Anspruch auf Freistellung unter Entgeltzahlung für die JAV-Arbeit und den Vorrang des ehrenamtlichen Engagements vor allen vertraglichen Pflichten. Auch das Procedere der korrekten Ab- bzw. Rückmeldung gehört dazu. Nicht fehlen sollte eine Unterrichtung über die bestehende Pflicht zur Geheimhaltung und vertraulichen Behandlung der im Rahmen des Amtes erhaltenen Informationen.
Schulung
Da der Schulungsanspruch gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG "ordentlichen" JAVis zusteht, gibt es für endgültig Nachgerückte kein Problem. Für Ersatzmitglieder, die über einen längeren Zeitraum nachrücken, sind die Grundlagenschulungen genauso erforderlich wie für jene, die bereits über einen längeren Zeitraum immer wieder für kurze Zeit zum Einsatz kommen.
Sollte es sich um eine einköpfige JAV handeln, ist für das (erste) Ersatzmitglied die Teilnahme an sämtlichen erforderlichen Schulungen obligatorisch - bedeutet: also auch an Spezialschulungen zur Arbeit der Gesamt-JAV oder Konzern-JAV, wenn diese Gremien vorhanden sind.
Der Amtsschutz
Das Benachteiligungs-/Behinderungsverbot (§ 78 BetrVG) gilt auch für Ersatzmitglieder. Während der gesamten Dauer der Vertretung fallen sie unter den besonderen Versetzungsund Kündigungsschutz (§ 103 BetrVG; § 15 Kündigungsschutzgesetz). Er beginnt immer an dem Tag, an dem der reguläre JAVi erstmals verhindert ist.
Wichtig: Der Gesetzgeber hat allen Mandatsträgern einen nachwirkenden Kündigungsschutz in Höhe von einem Jahr nach Amtsende zugesprochen. Dieser gilt nicht nur für endgültig Ausgeschiedene, sondern auch für vorübergehend Nachgerückte, wobei die Frist nach jedem Vertretungsfall von neuem zu laufen beginnt.
Vorsicht: Damit ihr unter den Sonderkündigungsschutz fallt, muss es laut Bundesarbeitsgericht auch zur Wahrnehmung von JAVTätigkeiten kommen. Zur Vermeidung etwaiger Streitigkeiten sollte daher jeder Vertretungsfall genau dokumentiert werden.
Übernahme
Der Anspruch auf Übernahme (§ 78a BetrVG) in ein unbefristetes, der Ausbildung entsprechendes Vollzeitarbeitsverhältnis steht erst einmal nur "ordentlichen" JAVis zu. Entsprechend der Regelung zum Sonderkündigungsschutz haben alle Auszubildenden, die einem Gremium angehören, einen Anspruch auf Übernahme für eine Frist von einem Jahr ab Amtszeitende. Dieser gilt auch für endgültig wie vorübergehend Nachgerückte. Für letztere beginnt die Jahresfrist immer wieder neu nach jeder Vertretung. Dabei kommt es weder auf den Zeitraum noch die Anzahl der Vertretungsfälle an. Wichtig ist auch hier eine JAV-Aktivität, egal welcher Art und Dimension.
(aus der Soli aktuell 4/2021, Autor: Wolf-Dieter Rudolph)