So steht es um die Ausbildungsqualität nach mehr als anderthalb Jahren Corona-Pandemie.
Azubi-Ratgeberin Julia Kanzog
Die Corona-Ausbildungsstudie
Mehr als ein Drittel der Auszubildenden macht sich "große" oder "sehr große" Sorgen, die Ausbildung nicht erfolgreich abschließen zu können. Das legt die Corona-Ausbildungsstudie 2021 der DGB-Jugend offen. Der Grund für die schlechten Daten: Coronabedingt wurden Ausbildungsinhalte nur teilweise vermittelt.
Die Angst vor dem Scheitern ist dabei in Klein- und Kleinstbetrieben am größten.
Alarmierend sind die Ergebnisse auch hinsichtlich der Einhaltung von Mindeststandards durch ausbildende Betriebe. Mehr als ein Viertel der Auszubildenden muss "immer" oder "häufig" ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen, eine Verdopplung im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit.
Doch was sagen Auszubildende, die sich an das "Dr. Azubi"-Forum wenden? Haben sich die Betriebe nunmehr auf Corona eingestellt?
Keiner bildet aus
Leider nein: Die Qualität der Ausbildung hat sich leider auch bei vielen Ratsuchenden im "Dr. Azubi"-Forum nicht verbessert.
Emma, Pferdewirtin im zweiten Ausbildungsjahr, schreibt: "Mein Ausbildungsbetrieb hat seit Anfang meiner Ausbildung keinen Ausbilder. Der, der im Vertrag steht, kommt alle vier Wochen, um das Berichtsheft zu kontrollieren. Mein Problem ist, dass mein Chef sich nicht drum kümmert, dass ich ein gutes Gefühl für meine bald bevorstehende Zwischenprüfung hab. Ich habe ihn mehrmals gebeten, dass er mir die nötigen Ausbildungsinhalte vermittelt, aber es passiert nichts."
"Dr. Azubi" sagt: Ausbildung kann nur dann stattfinden, wenn ein Ausbilder oder ein Ausbildungsbeauftragter da ist, der dich ausbildet. Laut § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) muss der Ausbildende selbst ausbilden oder einen Ausbilder oder eine Ausbilderin ausdrücklich damit beauftragen. Nur wenn Fragen beantwortet werden können, Auszubildende in Arbeitsvorgänge eingewiesen und Arbeitsergebnisse kontrolliert werden, kann auch eine gute Ausbildung stattfinden.
Emma fragt: "Wenn ich zur Landwirtschaftskammer gehe und denen alles erläutere – ob dann meine bisher absolvierte Ausbildungszeit verfällt und ich die fast zwei Jahre von vorne machen muss?"
"Dr. Azubi" sagt: Emmas Frage ist mehr als berechtigt. Im Einzelfall kann es sein, dass sich ihre Ausbildungszeit verlängert, wenn sie keine Ausbildungsinhalte erlernt hat. Kein Wunder, dass junge Auszubildende unter Zukunftsängsten leiden.
Ausbildung fällt aus
Ähnlich geht es Joshua, angehender Kaufmann für Büromanagement im dritten Ausbildungsjahr: "Ich habe seit fast einem Jahr Probleme in meinem Ausbildungsbetrieb. Es ist ein sehr kleiner Betrieb, und durch Corona sitze ich über die Hälfte der Zeit allein im Büro. Meine Chefin und ich haben kein gutes Verhältnis. Als ich mal mit ihr sprechen wollte, sagte sie mir, sie hätte keine Lust zu reden. Mich belastet das leider sehr, da ich die Ausbildung unbedingt abschließen möchte, aber jeden Tag sehr ungern zur Arbeit komme. Den Betrieb wollte ich auch schon wechseln, habe durch Corona leider keine Stelle gefunden."
"Dr. Azubi" sagt: Auf jeden Fall – mit Vorbereitung – noch einmal ansprechen, den Betrieb schriftlich auf den Missstand hinweisen und Unterstützung von der Gewerkschaft holen. Und dann die zuständige Kammer auf die Probleme hinweisen.
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Hier geht es zu unseren Corona-Infos für Auszubildende.
Problem Minusstunden
Ein Viertel (23,3 Prozent) der Befragten muss laut der DGB-Jugend-Studie Minusstunden ansammeln, wenn die Ausbildung aus betrieblichen Gründen ausfällt. 83 Prozent müssen die Minusstunden voll (55,2 Prozent) oder zumindest zum Teil (27 Prozent) nacharbeiten.
Solche Verhältnisse spiegeln sich auch im "Dr. Azubi"-Forum wider. Kamil, angehender Einzelhandelskaufmann, schreibt: "Aktuell gibt es in unserem Unternehmen sehr wenig zu tun, weshalb immer wieder jemand eine Stunde früher Feierabend macht. Meine Frage, ob ich einfach eine Stunde früher gehen kann, wurde immer mit Ja beantwortet. Nun soll ich aber Minusstunden abarbeiten."
"Dr. Azubi" sagt: Immer wieder gibt es Auszubildende, die plötzlich von ihrem Ausbilder erfahren, dass sie Minusstunden angesammelt hätten. In der Regel ist diese Berechnung von Minusstunden nicht rechtens. Denn die Ausbildungsvergütung muss weitergezahlt werden, wenn die Ausbildung aus Gründen, für die der Auszubildende nichts kann, ausfällt, obwohl er bereitstehen würde. So steht es in § 19 BBiG.
Klassisches Beispiel: Dein Ausbilder schickt dich heim, weil nichts mehr zu tun ist. Oder du bekommst einen Anruf, dass du gar nicht erst kommen sollst. In diesen Fällen bist du bezahlt freigestellt und sammelst keine Minusstunden an. Du hast ein Recht darauf, die festgelegte tägliche Arbeitszeit auch zu arbeiten und zu lernen. Und wenn es nichts zu tun gibt, kann sich dein Ausbilder ja Lernaufgaben für dich ausdenken.
In Kamils Fall ging die Initiative von ihm aus. Deshalb ist es nicht ganz klar, ob es sich tatsächlich um Minusstunden handelt. Hätte ihn sein Chef heimgeschickt, dann wären es klar keine Minusstunden. Also macht klare Ansagen und sammelt Nachweise!
Auf einmal Überstunden
Ein Drittel der Auszubildenden (32,6 Prozent) absolviert "immer" oder "häufig" Überstunden; die meisten (fast 80 Prozent) wöchentlich bis zu fünf Stunden. Auch mehr als 20 Überstunden pro Woche kommen vor.
Das ist auch bei Emma der Fall: "…Dazu kommt, dass ich elf Stunden/sechs Tage die Woche arbeite, bei normalem Gehalt. Dies ist zwar nicht selten in der Branche. Trotzdem macht es mich körperlich echt schwach."
"Dr. Azubi" sagt: Das ist voll verständlich. Überstunden sind in der Ausbildung nicht vorgesehen und sollten ganz klar die Ausnahme bleiben. Die tägliche Ausbildungszeit sollte ausreichen, um alle wichtigen Ausbildungsinhalte zu vermitteln. Es gibt keine Verpflichtung, Überstunden zu leisten. Nur in absoluten Ausnahmefällen kann dein Betrieb Auszubildende dazu verpflichten, und zwar: Wenn die Hütte brennt. Die geleisteten Überstunden müssen dir aber in Freizeit oder in Form von zusätzlicher Vergütung ausgeglichen werden (§ 17 BBiG).
Wenn ein Tarifvertrag bei euch gilt, kann es gut sein, dass ihr einen Zuschlag erhaltet. Ansonsten ist ein Freizeitausgleich meist lukrativer.
Die Corona-Ausbildungsstudie der DGB-Jugend findet ihr auf https://jugend.dgb.de/corona-ausbildungsstudie