Die Arbeitswelt ist von der Corona-Pandemie erheblich betroffen. Das gilt auch für die Arbeit der JAV und des Betriebsrats.
Auch wenn es manchem Arbeitgeber gefallen würde: Die Krise lässt weder Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) noch Betriebsrat verschwinden. Auch im Fall der Corona-Pandemie muss der Arbeitgeber seinen Pflichten in der Mitbestimmung nachkommen. Und der Betriebsrat den seinen gegenüber der JAV – egal, ob im Betrieb Kurzarbeit gilt oder ein Insolvenzverfahren läuft. Der § 67 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), der das Teilnahme-/Stimmrecht der JAV regelt, ist weiterhin zu beachten.
Arbeit im Gremium
Aktiv agieren können beide Kollektivorgane nur nach entsprechender Beschlussfassung. Das setzt – außer bei einköpfigen Gremien – die Willensbildung in einer ordnungsgemäßen, nichtöffentlichen Sitzung voraus. Die rechtswirksame Beschlussfassung erfordert Beschlussfähigkeit, d. h. mindestens die Hälfte der Gremienmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder müssen teilnehmen.
Vorsicht: Infolge der Corona-Pandemie haben viele Gremien Probleme, eine Präsenzsitzung durchzuführen. Der Meinungsaustausch und die Vorbesprechung sind per Telefon- oder Videokonferenz möglich, eine rechtswirksame Beschlussfassung setzt jedoch eigentlich die persönliche Anwesenheit der Gremiumsmitglieder voraus. Die Bundesregierung hat reagiert: Nach der Neufassung des § 129 BetrVG besteht die Möglichkeit, Beschlüsse mittels Telefon/Videoschaltung (per Skype u. a.) zu fassen. Zulässig ist auch das Zuschalten eines Teils der Mitglieder bzw. der JAV.
Achtung: Die Regelung ist bis 31. Dezember 2020 befristet – sie gilt rückwirkend ab 1. März und schafft so Rechtssicherheit für alle ab diesem Zeitpunkt per Telefon/Video getroffenen Beschlüsse. Sie gilt für Betriebsrat und JAV, und auch für Sitzungen von GBR/KBR und GJAV/ KJAV. Für Ausschüsse entsprechend. Dabei muss sichergestellt werden, dass Dritte vom Sitzungsinhalt keine Kenntnis erlangen können. Zur Einhaltung des Datenschutzes müssen alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.
Auch an die erforderliche Anwesenheitsliste hat der Gesetzgeber gedacht: Jede_r Teilnehmer_in kann die Anwesenheit in Textform, z. B. per Messenger, gegenüber der Sitzungsleitung bestätigen. Wo keine Tele-Konferenzen möglich sind, sollten während der Sitzungen unbedingt alle Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes nach "Arbeitsschutzstandard Covid-19" beachtet werden. Das reicht von Hygienemaßnahmen bis zu Abstandsregeln.
Aktivitäten
Auch während der Krise sollte die Öffentlichkeitsarbeit nicht vergessen werden. Jeder Betriebsrat ist verpflichtet, einmal vierteljährlich eine Betriebsversammlung durchzuführen. Auch die JAV kann im gleichen Rhythmus Jugend- und Auszubildendenversammlungen anbieten. Bis Jahresende besteht die Möglichkeit, Betriebs- und Abteilungsversammlungen per Videoschaltung durchzuführen (§ 129 Abs. 3 BetrVG). Achtung: Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit gilt weiterhin! Nur Teilnahmeberechtigte dürfen Kenntnis vom Inhalt der Versammlung haben. Dies gilt auch für separate Jugend- und Auszubildendenversammlungen. Auch die klassische Präsenzsprechstunde kann mittels audiovisueller Medien angeboten werden.
Von der Möglichkeit der Betriebsbegehung bzw. einer direkten Ansprache sollte immer unter Einhaltung aller Schutzvorschriften Gebrauch gemacht werden. In der Pandemie ist das Feedback der Beschäftigten sehr wichtig. So können JAV und Betriebsrat überwachen, ob der Arbeitsschutz beachtet wird und Arbeitgeber etwaige Anordnungen der Behörden nach dem Infektionsschutzgesetz auch umsetzen. Bekanntmachungen von Betriebsrat und JAV können per Telefon, Messenger, Mail oder soziale Netzwerke – natürlich unter Beachtung des Datenschutzes – erfolgen.
Nicht vergessen: Auch der gremiumsinterne Infofluss bzw. der zwischen JAV und Betriebsrat muss funktionieren. Der Betriebsrat sollte der JAV trotz Stress zeitnah seine Infos weiterleiten.
Mitbestimmung
Die umfangreichen Informationspflichten des Arbeitgebers bestehen fort. Über geplante Maßnahmen ist der Betriebsrat umfassend und rechtzeitig zu unterrichten. Viele vom Arbeitgeber durchgeführten Maßnahmen und Anordnungen zum Schutz der Beschäftigten oder zur Prävention bedürfen der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats. Nicht der Mitbestimmung unterfällt die reine Umsetzung von Vorgaben des Gesetzgebers. Setzt der Arbeitgeber aber Vorgaben nicht 1:1 um, sind sie ein Fall für die Mitbestimmung. Tipp: Der Betriebsrat sollte von seinem Initiativrecht Gebrauch machen und, wenn notwendig, zusätzlichen Schutz (Schutzscheiben etc.) einfordern.
Arbeitszeit
Die Pandemie wurde vom Bundesarbeitsministerium zum Anlass genommen, die Schutzbestimmungen des Arbeitszeitgesetzes für einige Branchen zu verschlechtern. Bis 30. Juni 2020 dürfen z. B. Ruhezeiten verkürzt werden. In der Lebensmittelproduktion oder dem Gesundheitswesen etwa wurden Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden ermöglicht! Trotzdem muss der Arbeitgeber weiterhin die Regeln, die in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen enthalten sind, einhalten – auch die des Jugendarbeitsschutzgesetzes.
Alles was mit Arbeitszeit zu tun hat, unterfällt der Mitbestimmung (§ 87 Abs. 1 Nr. 2+3 BetrVG): Das reicht von Mehrarbeit, Arbeitszeitverlagerung über den Dienstplan bis hin zur Einführung von Betriebsferien. Auch bei der Einführung von Kurzarbeit läuft ohne Betriebsrat nichts. Von seiner Entscheidung hängt es ab, ob der Arbeitgeber von den neuen Optionen Gebrauch machen kann.
Vorsicht: Der Arbeitgeber darf zeitlich begrenzt im absoluten Notfall einseitig Mehrarbeit anordnen – das Vorliegen wäre im Einzelfall zu prüfen.
Tipp: Bei fehlender Betriebsratszustimmung dürfen Arbeitnehmer_innen sich folgenlos verweigern.
Personelle Maßnahmen
Kommt es im akuten Krisenfall zu plötzlichen Erkrankungen, können kurzfristige Einstellungen oder die Übertragung der Aufgaben an andere Arbeitnehmer_innen erforderlich sein. Möglich sind auch Versetzungen innerhalb des Unternehmens. Auch hier bedarf es der vorherigen Zustimmung des Gremiums (§ 99 BetrVG). Zwar kann der Arbeitgeber die Maßnahme vorläufig durchführen – muss aber den Betriebsrat unverzüglich darüber informieren (§ 100 BetrVG).
Berufsausbildung
Weiterhin hat der Betriebsrat auch bei der Durchführung der Berufsausbildung mitzubestimmen (§ 98 BetrVG). Gemeinsam mit der JAV muss er versuchen, dass nach Möglichkeit im Betrieb alles getan wird, damit die Ausbildung auch weiterläuft.
Die DGB-Jugend aktualisiert laufend ihre Infos zur Gesundheitspolitik auf jugend.dgb.de/corona-infos
(aus der Soli aktuell 6/2020, Autor: Wolf-Dieter Rudolph)