Deutscher Gewerkschaftsbund

EGB-Jugend-Präsidentin Tea Jarc: "Die Jugendgarantie hat enttäuscht"

Tea Jarc aus Slowenien ist die neue Präsidentin des EGB-Jugendkomitees. Im Gespräch mit Soli aktuell erläutert sie ihre Agenda.

Engagement ist das Ding. Streitet in Brüssel für die Belange der europäischen Jugend: Die Präsidentin des EGB-Jugendkomitees, Tea Jarc, vom slowenischen Gewerkschaftsverband ZSSS.

Hallo Tea – erstmal: Herzlichen Glückwunsch zu deiner Wahl zur Vorsitzenden des EGB-Jugendkomitees! Neben dir als Präsidentin hat das Komitee weitere neue Vorstandsmitglieder gewählt. Im Vorstand sind nun sieben Frauen und ein Mann, Joscha Wagner von der DGB-Jugend. Wie kam es dazu?
Das ist tatsächlich ungewöhnlich, besonders weil der EGB-Jugendvorstand in der Vergangenheit oft von Männern dominiert wurde. Wir sind sehr stolz, das erreicht zu haben – sogar ohne Frauenquote oder andere Maßnahmen. Ich denke, das beweist, dass das Jugendkomitee gleiche Chancen für alle bietet. Das war ein langer Prozess und ich hoffe, dass wir damit ein wichtiges Zeichen für mehr Gleichberechtigung, auch in Führungspositionen, setzen können.

Ist das ein Ziel des neuen Vorstands? Junge Frauen stärker zu unterstützen?
Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist vielen Gewerkschaften schon immer ein wichtiges Anliegen gewesen. Das spiegelt sich auch in der Arbeit des EGB-Jugendkomitees wider. Als junge Frau kannst du gleich zweifach Diskriminierung ausgesetzt sein: wegen deines Geschlechts und wegen deines Alters. Deshalb wird es auch weiterhin eine unserer Hauptaufgaben sein, Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen zu erreichen.

Welche Ziele habt ihr euch darüber hinaus gesetzt?
Junge Menschen sehen sich mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn sie in den Arbeitsmarkt eintreten. Der Übergang von Ausbildung in den Beruf muss erleichtert werden, damit junge Menschen schnell den Anschluss finden. Praktika oder Ausbildungsstellen können zum Beispiel hilfreich sein, um praktische Erfahrungen zu sammeln und einen Eindruck von der "Arbeitswelt" zu bekommen. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die Qualität stimmt und junge Menschen nicht ausgebeutet werden.

Im Vergleich zu anderen Altersgruppen ist die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen immer noch deutlich höher. Die "Youth Employment"-Initiative ist ein guter Ansatz, weil durch sie Praktika und Weiterbildungsmaßnahmen finanziert werden können. Allerdings bleibt die Initiative ein Tropfen auf den heißen Stein: Viele junge Menschen, die weder beschäftigt sind noch sich in Ausbildung befinden, werden nicht erreicht; oft nur kurzfristig gedachte Maßnahmen sind nicht geeignet, um langfristig vor Prekarität zu schützen.

Die Umsetzung der Jugendgarantie (die Zusage aller EU-Mitgliedstaaten, zu gewährleisten, dass alle jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder ihre Ausbildung abgeschlossen haben, ein hochwertiges Angebot für eine Beschäftigung, eine Weiterbildungsmaßnahme, einen Ausbildungsplatz oder ein Praktikum erhalten, d. Red.) hat daher viele enttäuscht.

Die Gewerkschaften müssen in Zukunft besser eingebunden werden, wenn es darum geht, solche Maßnahmen zu entwerfen, umzusetzen, zu überwachen und die Ergebnisse zu bewerten. Wir müssen den Druck auf die nationalen Regierungen und die Europäische Kommission aufrechterhalten, um bessere Programme zur Beschäftigung von jungen Menschen zu entwickeln und um deren Finanzierung zu gewährleisten.

"Wir müssen sicherstellen, dass junge Menschen und generell alle Arbeitnehmer_innen gute Arbeit haben."

Ein weiteres Problem ist…
…dass sich junge Menschen viel zu oft in schlechten Jobs wiederfinden. Prekäre Arbeitsbedingungen wie Nullstunden-Verträge, befristete Stellen oder Scheinselbstständigkeit sind leider eher die Regel als Ausnahmen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt wirkt sich negativ auf alle Lebensbereiche aus, zum Beispiel auf die Wohnsituation, Gesundheit, soziale Absicherung und den sozialen und wirtschaftlichen Status.

Das gilt nicht nur für junge Menschen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Diese neuen Formen der Arbeit verändern den Arbeitsmarkt und unterwandern von Arbeitnehmer_innen und Gewerkschaften erkämpfte Rechte. Arbeitgeber und Unternehmen sprechen oft davon, dass diese neuen Arbeitsformen die "Zukunft der Arbeit" seien, dabei dient dieser Begriff nur dazu, zu verschleiern, dass sich an dem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis eigentlich wenig geändert hat.

Nur dass der Arbeitgeber eben nicht mehr dafür sorgen muss, dass grundlegende Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Bloß weil Arbeit über digitale Plattformen vermittelt wird, bedeutet das nicht, dass kein Beschäftigungsverhältnis besteht oder dass sämtliche soziale Rechte missachtet werden können.

Was müsste passieren, damit junge Menschen der "Zukunft der Arbeit" positiv entgegensehen können?
Wir müssen sicherstellen, dass junge Menschen und generell alle Arbeitnehmer_innen gute Arbeit haben. Das bedeutet, dass Arbeitnehmer- und soziale Rechte geschützt werden. Darüber hinaus müssen wir die (jungen) prekär Beschäftigten besser erreichen und sie ermutigen, sich zusammenzuschließen.

Nur wenn wir gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, können wir die Situation verbessern. Die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf kollektive Verhandlungen haben Menschenrechtsstatus und gelten auch für Arbeitnehmer_innen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.

Prekäre Arbeitsbedingungen zeichnen sich oft dadurch aus, dass die Beschäftigten keinen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen haben. Die europäische Säule sozialer Rechte ist eine gute Richtschnur, um dagegenzuhalten – und ein wichtiger Schritt in Richtung Soziales Europa. Unverbindliche Leitlinien reichen aber nicht aus.

Weil die nationalen Sozialsysteme nicht mehr allen Menschen eine soziale Absicherung garantieren, braucht es klare Standards, die auf europäischer Ebene entwickelt und in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen. Im EGB-Jugendkomitee haben wir uns mit diesem Thema schon viel beschäftigt. Wir wollen uns in Zukunft noch stärker damit auseinandersetzen und planen weitere Aktionen.

Protest digital: Für junge Menschen in prekären Lebenssituationen sind die Corona-Pandemie und ihre sozialen Folgen besonders bedrohlich. Die EGB-Jugend hat zum 1. Mai online demonstriert auf etuc.org/en/node/18790

Welche Ziele habt ihr euch für das laufende Jahr noch gesetzt?
Wir werden uns für gute Rahmenbedingungen für Praktika und Ausbildungsstellen und bei der Jugendgarantie einsetzen. Damit junge Menschen Zugang zu guter Arbeit haben, werden wir uns für eine Umsetzung der Europäischen Säule für soziale Rechte auf nationaler Ebene stark machen. Wir wollen außerdem gewerkschaftliche Strukturen weiter stärken und Jugendkomitees in ganz Europa bei ihrer Arbeit unterstützen. Im EGB wollen wir eine Jugendquote einführen, damit mehr junge Menschen an seinen Entscheidungen beteiligt werden.

Welche Rolle spielt denn das Jugendkomitee im EGB?
Das EGB-Jugendkomitee ist die Stimme junger Arbeitnehmer_innen in Europa. Es leistet daher einen wertvollen Beitrag innerhalb des EGB, um gute Arbeit für alle zu garantieren. Ohne die vielen jungen und engagierten Menschen, die in die Gewerkschaften eintreten und sich dort einbringen, kann die Gewerkschaftsbewegung nicht überleben. Deswegen müssen wir weiterhin junge Menschen ermutigen, sich im EGB für ihre Forderungen einzusetzen, und Sorge tragen, dass sie auch gehört werden, zum Beispiel durch eine Jugendquote.

Außerdem wollen wir die EGB-Mitgliedsgewerkschaften bei dem Aufbau und der Stärkung von Jugendorganisationen unterstützen. Mithilfe unserer Erfahrungen auf nationaler und regionaler Ebene werden wir Vorschläge machen, wie das am besten gelingen kann. Dazu braucht es auch mehr Investitionen in die Jugendarbeit.

Hat der Brexit, Großbritanniens EU-Austritt, Einfluss auf eure Arbeit?
Leider wird er viele negative Folgen haben, besonders für junge Arbeitnehmer_innen in Großbritannien. Wir werden aber weiter eng zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen. Grenzen sind kein Hindernis für die Arbeiterbewegung!

Habt ihr einen guten Kontakt zur EU-Kommission? Ja. Wir beteiligen uns zum Beispiel am Konsultationsprozess und an den Verhandlungen der europäischen Sozialpartner. Die Europäische Kommission respektiert die Arbeit des EGB-Jugendkomitees und bezieht uns aktiv mit ein. Aber das bedeutet nicht, dass wir die Vorschläge der Kommission nicht kritisieren oder keine eigenen Verbesserungen entwickeln.

Und wie ist dein Verhältnis zur DGB-Jugend?
Die DGB-Jugend und ihre Vertreter_innen auf europäischer Ebene leisten schon immer einen wichtigen Beitrag zur Arbeit des Jugendkomitees und des EGB insgesamt. Sie sind für mich ein sehr wichtiger, progressiver und professioneller Partner, der sich leidenschaftlich einbringt, Erfahrungen teilt und sich solidarisch mit den anderen Gewerkschaften verbündet.

"Wir sind die Stimme junger Menschen in Europa."

Du arbeitest für die Vereinigung freier Gewerkschaften Sloweniens (Zveza svobodnih sindikatov Slovenije, ZSSS). Welche Positionen vertritt sie gegenüber der europäischen Jugend? Werden die Anliegen junger Menschen gehört?
In Slowenien bin ich Vorsitzende von Sindikat Mladi plus (dt: Union der Jugend). Wir vertreten Studierende, Schüler_innen, junge Arbeitslose und prekär Beschäftigte innerhalb der ZSSS. Wir vertreten junge Menschen, die in sehr verschiedenen Bereichen arbeiten oder ihre Ausbildung gemacht haben. Sie befinden sich im Übergang von der Ausbildung in den Beruf und sind daher besonders benachteiligt. Dazu kommt, dass ihre Anliegen im sozialen Dialog normalerweise keine Rolle spielen.

Auf nationaler Ebene und in der ZSSS sind wir deshalb einzige Stimme und wichtiger Ansprechpartner für alle Themen, die die Jugend betreffen. Wir sind dadurch sehr unabhängig und können unsere Positionen und Vorschläge zur Verbesserung in Eigenregie entwickeln und an die anderen Mitgliedsgewerkschaften und an die ZSSS weitergeben. Sie schätzt unsere Arbeit und unterstützt unsere Forderungen, auf nationaler und europäischer Ebene.

In einer Demokratie zählt jede Stimme, und diese Unterstützung, auch von eher kleineren Gewerkschaftsbünden, ist uns sehr wichtig. Sindikat Mladi plus hat ungefähr 1.500 Mitglieder in ganz Slowenien und die ZSSS knapp 130.000.

Was motiviert dich bei deinem Engagement?
Ich setze mich leidenschaftlich gern für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte ein und bin fest davon überzeugt, dass es Alternativen zum herrschenden System gibt. Deshalb will ich für positive Veränderungen kämpfen. Ich bin schon seit fünf Jahren in der Gewerkschaftsbewegung aktiv, in den letzten Jahren auch immer mehr auf internationaler Ebene.

Für mich hat das EGB-Jugendkomitee das Potenzial, jungen Menschen und besonders jungen benachteiligten Gruppen eine Stimme zu geben. Es gibt einen großen Bedarf daran, junge Gewerkschafter_innen und ihre Strukturen zu stärken. Wir müssen ein wichtigerer Ansprechpartner im Entscheidungsprozess werden.

Warst du schon immer so dabei?
Ich habe mich schon seit meiner Kindheit in verschiedenen Nichtregierungsorganisationen politisch engagiert.

Was machst du denn so, wenn du dich nicht gerade für Gewerkschaften einsetzt?
Ehrlich gesagt habe ich nicht so viel Zeit. Ich bin sehr damit beschäftigt, meine Arbeit in der Gewerkschaft in Slowenien und meine Aufgaben als Präsidentin des EGB-Jugendkomitees miteinander zu verbinden. Das erfordert viel Zeit und ich bin dadurch häufig im Ausland unterwegs. Aber wann immer es geht, versuche ich, draußen in der Natur zu sein. Wandern macht mir sehr viel Spaß. Ich liebe es zu lesen, Podcasts zu hören – ich mache gerade selber einen, über Gewerkschaftsthemen natürlich – und ich spiele sehr gerne Brettspiele.

Übersetzung: Luisa Maschlanka. Luisa ist 23, studiert im Master Europäische Politik und absolvierte ein Praktikum in der DGB-Bundesvorstandsverwaltung.

(aus der Soli aktuell 6/2020, Autorin: Soli aktuell)