Deutscher Gewerkschaftsbund

4 Argumente: Vier gute Gründe für zivilen Ungehorsam gegen Aufmärsche von Neonazis

Wenn Neonazis demonstrieren, wo und wann auch immer, ist jede/r Einzelne gefragt!  Was für den zivilen Ungehorsam spricht.

Anti Nazi Demo

© Simone M. Neumann

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"Wenn Neonazis mitten durch unsere Städte marschieren, um ihre menschenverachtende Ideologie zu propagieren, können Demokraten das nicht schweigend hinnehmen. Dazu gehört, den Rechtsextremen nicht einfach unsere Straßen und Plätze zu überlassen, sondern sich vor Ort sichtbar und hörbar für demokratische Werte zu engagieren. Zu diesen vielfältigen Ausdrucksformen gehören auch Sitzblockaden, solange sie eine symbolische, auf die öffentliche Meinungsbildung gerichtete Unterstützung des Protestes und nicht lediglich Selbstzweck sind."
Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages

"Ziviler Ungehorsam" als solcher stellt im deutschen Recht weder eine Ordnungswidrigkeit noch eine Straftat dar. Nach aktueller Gesetzeslage können aber einzelne Handlungen eine Rechtsverletzung darstellen, wie z. B. Hausfriedensbruch oder Nötigung. Man muss also der Tatsache ins Auge sehen, dass man für die bewusste Überschreitung von Normen auch strafrechtlich belangt werden kann.

Wie das im Einzelnen aussieht, ist ein anderer Fall. Die Rechtsprechung hat durchaus die Möglichkeit, die Motivation der Angeklagten in die Entscheidung einzubeziehen. Die Praxis zeigt, dass es immer auch einen Ermessensspielraum gibt, ob Aktionen des zivilen Ungehorsams als legal oder illegal bewertet werden.

So war z. B. die Polizei beim sogenannten neonazistischen "Fest der Völker" in Jena bereit, den ersten Versuch einer Blockade hinzunehmen und nur zu räumen, wenn tätliche Gewalt von Demonstrant/-innen ausgeht. Generell darf die Angst vor Strafe nicht vergessen lassen, dass Lebensumstände manchmal nur durch zivilen Ungehorsam verändert und gestaltet werden können. Durch massenhaften zivilen Ungehorsam erst recht.

Deshalb: Manchmal ist es unumgänglich, gegen Missstände "Unrecht" zu tun. Lieber im Zweifelsfall ein Bußgeld in Kauf zu nehmen, als wirksamen Protest gegen Neonazis verstummen zu lassen oder sich nicht mehr für menschenwürdige Arbeit einzusetzen.

2 "Ziviler Ungehorsam ist undemokratisch"

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"Die Demokratie lebt von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Ob bei den Protesten gegen Stuttgart 21, gegen die Castortransporte oder gegen Aufmärsche von tausenden Neonazis – um demokratische Grundwerte zu verteidigen, ist es richtig und wichtig, dass sich besonders junge Menschen an friedlichen Blockaden beteiligen. So sieht gelebte Demokratie aus!"
Julia Böhnke, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings

Häufig hört man bei Aktionen des zivilen Ungehorsams, wir seien intolerant und undemokratisch, wenn wir Neonazis in ihren Aufmärschen behindern. Müssen wir als Demokraten/-innen nicht auch abweichende Meinungen tolerieren? Die Frage ist: Wer fordert hier demokratische Grundrechte für sich ein?

Neonazis bedrohen und verletzen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie schrecken nicht vor rassistischer Gewalt bis hin zum Mord zurück. Gleichzeitig pochen sie auf Toleranz und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung.

Neonazis verfolgen eine diktatorische Ideologie, sie wollen nicht die Regeln einer demokratischen Gesellschaft, sondern die Regeln ihrer eigenen Ideologie für den Umgang mit Andersdenkenden. Intoleranz gilt es eben nicht zu tolerieren, und wenn der Staat aufgrund der Rechtslage hier nicht aktiv werden kann, ist es Aufgabe aller demokratischen Bürger/-innen für ein demokratisches Miteinander einzustehen.

Deshalb: Aktionen des zivilen Ungehorsams sind unumgänglich und legitim, wenn sie zivilcouragiert für ein demokratisches und diskriminierungsfreies Miteinander stehen.

3 "Ziviler Ungehorsam heißt doch nur, Neonaziaufmärsche mit Gewalt zu bekämpfen"

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"Friedliche Blockaden sind auch ein Mittel der Meinungsäußerung."
Norbert Wesseler, neuer Polizeipräsident Dortmund, am 6. Januar 2012 bei seinem Antrittsbesuch im Rathaus

Ziviler Ungehorsam zeichnet sich dadurch aus, dass er zivile, also friedliche Mittel anwendet und jede Eskalation vermieden wird. Im Zuge von Anti-Nazi-Protesten kam es in der Vergangenheit manchmal zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant/-innen und Polizist/-innen.

Es wäre falsch, die Gründe für derartige Eskalationen – wie so häufig – nur bei einer der beteiligten Parteien zu sehen. Grundlage gemeinsamer Protestformen des zivilen Ungehorsams ist ein vorab verabschiedeter Aktionskonsens, bei dem sich alle beteiligten Gruppen auf ein gemeinsames Vorgehen und ein gemeinsames Ziel einigen. Voraussetzung dafür, dass wir als Gewerkschaftsjugend Bündnisse unterstützen, ist die ohnehin übliche klare Vereinbarung, dass von den Teilnehmer/-innen keine Eskalation ausgeht.

Fakt ist auch, dass gewalttätige Randerscheinungen im Nachgang von Demonstrationen medial fokussiert aufbereitet und von öffentlicher Seite mit besonderer Akzentuierung in Umlauf gebracht werden.

Damit wird zum einen friedlicher Protest von tausenden Demonstrant/-innen vernachlässigt. Zum anderen liegt oftmals die Vermutung nahe, dass friedlichem antifaschistischem Protest an sich die Berechtigung abgesprochen werden soll. Umso wichtiger ist, dass möglichst viele Menschen an friedlichen Protestformen teilnehmen und ihrerseits auch bereit sind, den vereinbarten Aktionskonsens gegenüber anderen Teilnehmer/-innen zu vertreten und einzufordern.

4 "Ziviler Ungehorsam gegen Neonaziaufmärsche bringt doch überhaupt nichts"

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Richtig ist: Durch erfolgreiche Aktionen werden bei Neonazis wohl keine Einstellungsveränderungen hervorgerufen. Leider.

Aber: Es werden deutlich sichtbare Zeichen gesetzt. Für Betroffene von rechter Gewalt und rassistischen Diskriminierungen, die spüren, dass sich Menschen aktiv gegen menschenverachtende Einstellungen verbünden, positionieren und engagieren. Für Jugendliche, die sehen, dass Neonazismus keine tolerierbare Option innerhalb einer demokratischen Gesellschaft darstellt.

Für Neonazis, die merken, dass sie nicht unwidersprochen anschlussfähig an die Gesellschaft sind und der Quatsch von der Volksgemeinschaft auch weiterhin ihr eigenes Hirngespinst bleibt.

Und auch für all diejenigen, die sich nicht empören und engagieren, die bemerken müssen, dass es Nachbarn und Nachbarinnen gibt, die nicht nur eine Meinung zu menschenverachtendem Denken und Handeln haben, sondern diese auch noch gegen Widrigkeiten vertreten – für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben. Außerdem sollte man nicht vergessen: Wo Neonazis ungehindert demonstrieren können, kommen sie wieder.

Deshalb: ziviler Ungehorsam bringt was: Zeichen setzen gegen Rechts und für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, den Nazis nicht die Straße überlassen!

Fazit

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"Gemeinsam mit vielen Tausenden werden wir am 18. Februar in Dresden wieder Flagge gegen Nazis und ihre menschenverachtenden Einstellungen zeigen. Nach den Diskussionen der letzten Monate: Jetzt erst recht!"
Eric Leiderer, Bundesjugendsekretär der IG Metall

Wenn Neonazis demonstrieren, wo und wann auch immer, ist jede/r Einzelne gefragt! Geh auf die Straße – äußere dich! Das Schlimmste ist Gleichgültigkeit, die Abwesenheit von Engagement. Auch wenn Protest in Form des zivilen Ungehorsams mit Hürden und Unsicherheiten verbunden ist, kann sich hier das gute Gefühl bieten, mal wirklich wirksam gegen menschenverachtende Einstellungen geschrien, getanzt, gestanden und/oder gesessen zu haben.

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