Der Großteil der Flüchtenden kommt aus Syrien, wo seit 2011 ein blutiger Bürgerkrieg herrscht. Seit dem Auftreten des sogenannten "Islamischen Staates" im Sommer 2014 hat sich die Lage der Bevölkerung Syriens dramatisch verschärft, sodass immer mehr Menschen fliehen müssen. Ca. 7,6 Millionen Syrer_innen sind auf der Flucht, die meisten haben in der Türkei, dem Libanon oder Jordanien Schutz gesucht, einige finden sogar eine neue Heimat in Kanada.
Viele Syrer_innen machen sich auf den gefährlichen Weg nach Europa, um vor Verfolgung sicher zu sein. Die anderen großen Gruppen, die in Deutschland ankommen, sind laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Iraker_innen und Afghan_innen.
In ihren Ländern herrscht aktuell zwar offiziell kein Bürgerkrieg, es gibt dort allerdings in bestimmten Regionen bewaffnete Auseinandersetzungen und die Bevölkerung ist Terror und Gewalt ausgesetzt. Eine weitere große Gruppe kommt aus Eritrea, sie fliehen vor allem vor der Diktatur und der Folter in ihrem Land.
In den Balkanländern herrscht zwar momentan weder ein Diktator noch Bürgerkrieg, dennoch können viele ihr Leben dort aufgrund großer materieller Not nicht fortführen. Der Jugoslawienkrieg in den 1990er Jahren hat noch immer Auswirkungen auf die Bildungs- und Lebenschancen der Menschen vor Ort. Vor allem Roma werden dort verfolgt, diskriminiert und von einem Großteil des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen.
Bevor wir uns die Lage in Deutschland ansehen, wollen wir einen Blick auf andere sogenannte "Aufnahmeländer" werfen. Denn wenn behauptet wird, Deutschland würde alle Syrer_innen, alle Flüchtenden aufnehmen und jetzt seien mal die anderen an der Reihe, dann stimmt das nicht: Die Türkei nimmt im Frühjahr 2016 in absoluten Zahlen die meisten Flüchtenden auf (2,7 Millionen), gefolgt von Pakistan (1,5 Millionen) und dem Libanon (1,1 Millionen) [UNHCR]. Der Libanon ist dabei flächenmäßig halb so groß wie Hessen!
Viele der Geflüchteten leben dort in sogenannten Flüchtlingscamps: In den Lagern leben die Menschen auf engsten Raum, es fehlt an Nahrung, Hygiene und medizinischer Versorgung. Kinder und Jugendliche können keine Schulen besuchen und es kommt innerhalb der Lager immer wieder zu Konflikten.
Die Menschen haben keinerlei Perspektive – manche flüchten weiter in Richtung Europa, andere radikalisieren sich, und die Konflikte werden immer dramatischer. Die internationalen Hilfsorganisationen arbeiten in den Lagern am Limit, es wird doppelt so viel finanzielle Hilfe gebraucht wie vorhanden ist.
Jedoch haben bis auf die Niederlande alle EU-Staaten ihre finanzielle Unterstützung gesenkt oder ganz zurückgezogen. Hinzu kommt, dass nicht alle in den Camps untergebracht sind. In Jordanien beispielsweise leben laut UNHCR ca. 84 Prozent der Geflüchteten außerhalb der Camps, sie haben keinen Zugang zu Versorgung und leben unterhalb der Armutsgrenze.
Bei solchen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, wenn die Menschen ihr Hab und Gut zusammenkratzen und sich auf den Weg nach Europa machen.
Doch wie kommen die Flüchtenden nach Europa? Am einfachsten ist es mit dem Flugzeug: Wer mit dem Flugzeug einreisen will, besorgt sich z. B. ein Touristenvisum und bleibt dann einfach in Deutschland. Die wenigsten aber können überhaupt per Flugzeug einreisen, obwohl die Flüge nur ein Bruchteil des Geldes kosten, das sie an die Schlepper bezahlen müssen.
Schuld daran ist die EU-Richtlinie 2001/51/EG: Fluggesellschaften haften demnach, wenn Passagiere im Zielland wegen fehlender Papiere abgewiesen werden. Sie müssen die Kosten für die Rückreise übernehmen, ein Risiko, auf das sich die Fluglinien nicht einlassen wollen. Somit sind die Flüchtenden gezwungen über den Land- oder Seeweg einzureisen. Ein legales Visum für den Schengen-Raum gibt es nur für Tourist_innen, Studierende oder Personen, die schon einen Arbeitsvertrag vorweisen können.
© Johan Barbarà CC BY-SA 2.0
Regelungen für Flüchtende existieren nicht, sodass diese gezwungen sind, sich heimlich durch Europa zu bewegen. Mit falschen Papieren und durch Bezahlung von Schleppern. Diese arbeiten mittlerweile hochprofessionalisiert (sie organisieren Grenzgänge per Facebook und Smartphone) und je illegaler und schwieriger die Einreise nach Europa wird, umso höhere Summen verdienen sie. Den meisten Schleppern sind die Flüchtenden egal: Oft werden die Menschen in Booten oder Lkw zurückgelassen, wenn die Schlepper kurz davor sind, erwischt zu werden.
Im Sommer 2015 sind 71 Personen in einem verschlossenen Lkw, der vermutlich von Schleppern abgestellt wurde, gestorben. Menschenrechtsorganisationen fordern daher eine Legalisierung der Fluchtwege, um Flüchtende vor Schlepperbanden zu schützen.
Um nach Europa zu kommen, gibt es zwei Hauptwege: die Mittelmeerrouten und die sogenannten Balkanrouten.
Mittelmeerrouten: Es gibt verschiedene Routen über das Mittelmeer, einmal quer hindurch ("zentrale Mittelmeerroute"), von Libyen in Richtung Malta oder der italienischen Insel Lampedusa, von Ägypten nach Süditalien oder von der Türkei aus nach Griechenland, Zypern oder Bulgarien.
Die Schlepperboote werden dabei überladen und sind unzulänglich seetauglich – im Mittelmeer sind seit dem Jahr 2000 schätzungsweise 27.000 Menschen ertrunken. Im Oktober 2013 ertranken bei einem größeren Unglück 500 Flüchtende vor Lampedusa. Daraufhin startete die italienische Marine die Rettungsaktion "Mare Nostrum", bei der innerhalb eines Jahres 130.000 Schiffbrüchige gerettet werden konnten.
Die Aktion wurde Ende 2014 eingestellt, weil sich die anderen EU-Staaten nicht an der Finanzierung beteiligen wollten. Stattdessen entwickelten die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam die sogenannte Operation Triton. Durchgeführt wird diese von der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
"Statt mehr Seenotrettung droht ein starker Fokus auf Grenzkontrolle und Abwehr", kritisiert die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. "Triton wird in der Regel nur bis etwa 30 Seemeilen vor der italienischen Küste und vor Lampedusa patrouillieren. Mare Nostrum ist demgegenüber in der Vergangenheit bis nahe an die libysche Küste herangefahren, die knapp 160 Seemeilen von Lampedusa entfernt ist. Das Rettungsgebiet wird also drastisch verkleinert: Noch mehr Tote sind die absehbare Folge." Kritiker_innen sehen in "Triton" eher eine Abschreckungs- als eine Rettungsaktion.
Landrouten: Mit der Schließung der Grenze zu Österreich am 13. September 2015 und der Abschottung Ungarns zwei Tage später, wurde die sogenannte Balkanroute einmal mehr in den Mittelpunkt gerückt. Diese Route führte von der Türkei über Griechenland, die westlichen Balkanstaaten Serbien und Mazedonien nach Ungarn und von dort über Österreich nach Deutschland.
Mehrere Wochen sind die Flüchtenden unterwegs, in Autos oder Lkws von Schleppern, per Zug und nicht selten zu Fuß. Oft sind Alte, Kranke und kleine Kinder dabei. An den Grenzen sind sie Repressionen ausgesetzt und wissen oft nicht, wie es weitergehen wird. Neben Ungarn haben auch Bulgarien und Mazedonien begonnen ihre Grenzen mit einem Zaun zu sichern, sodass die Flucht immer gefährlicher wird.
Haben es die Flüchtenden nach Deutschland geschafft, werden sie in Turnhallen, Containern und Zelten untergebracht. Sie bekommen Kleidung, Decken und Betten in Form von Sachleistungen, außerdem ein Taschengeld. Erwachsene bekommen 143 Euro Bargeld, Paare und Kinder etwas weniger – keine 4.000, Euro wie manche Populist_innen behaupten. Sie bekommen eine medizinische Versorgung, allerdings erhalten sie keine aufwendigen Behandlungen.
Pro Asyl schreibt, dass die Unterbringung in Sammelunterkünften keine Lösung darstellt: "Sie verhindern Integration und sind oft sehr teuer. Eine Notunterbringungsstruktur ruft zudem schnell private Profiteure auf den Plan, die weniger die sozialen Aufgaben als ihre Gewinne im Auge haben. Setzt man dagegen auf die kontinuierliche Integration von Flüchtlingen in den Wohnungsmarkt, wird man nicht nur den Menschen besser gerecht, auch der kommunale Handlungsspielraum weitet sich aus und Kosten werden gespart."
Pro Asyl ergänzt außerdem, dass diese Form der Unterbringung weitere Folgen hat: "Entnormalisierung der Lebenslage, Verlust an Privatsphäre, unnötige Beschränkung der privaten Planung, oft Isolation in den Kommunen. Langfristige Lagerunterbringung schädigt Gesundheit, gerade besonders der Schutzbedürftigen, wie etwa traumatisierten Flüchtlingen."
Durch die Menge der Asylanträge kommt das BAMF mit der Bearbeitung nicht hinterher. Während sich Land und Kommunen um die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten kümmern, ist der Bund für die Abwicklung der Anträge zuständig.
Ein Asylantrag kann beim BAMF gestellt werden. Asylsuchende werden von Beschäftigten zu ihren Fluchtgründen befragt und müssen ihre Verfolgung begründen. Dabei werden die Befragungen teilweise sehr intim, sie müssen ihren Werdegang und die Verfolgung detailliert schildern.
Wird über ihren Antrag positiv entschieden (2014 dauerte das ganze Verfahren im Schnitt 5,4 Monate, heute um einiges länger), bekommen sie zunächst eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre. Nach dieser Zeit gibt es eine erneute Überprüfung.
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Aufgrund der Verzögerung in der Antragsbearbeitung müssen die Geflüchteten vor allem eines: warten. Sie dürfen in den ersten drei Monaten ihrer Ankunft nicht arbeiten, in den folgenden zwölf Monaten dürfen sie nur arbeiten, wenn es keine anderen Kandidat_innen für die Stelle gibt.
Durch die sogenannte Vorrangprüfung haben andere EU-Bürger_innen zunächst das Anrecht auf die Stelle, nur wenn es in den Datenbanken der Arbeitsagenturen keinen entsprechenden Kandidat_innen gibt, dürfen sich Geflüchtete darauf bewerben. Das aber auch nur dann, wenn sie zuvor vom Arbeitsamt eine Arbeitserlaubnis ausgestellt bekommen haben. Diese wiederum gibt es nur, wenn sie eine schriftliche Zusage eines Arbeitgebers haben, eingestellt zu werden…
Vielen Arbeitgeber_innen ist dieses Verfahren zu umständlich und langwierig, sodass die Geflüchteten kaum Chancen auf eine Anstellung haben. Erst nach 15 Monaten dürfen sich die Geflüchteten normal auf Stellen bewerben. Integrationspolitisch heißt das, dass sie erst nach über einem Jahr in Deutschland die Möglichkeit haben, sich über Arbeit zu integrieren.