Deutscher Gewerkschaftsbund

5 Politische Folgen aus gewerkschaftlicher Perspektive

"Integration durch Arbeit und Ausbildung"

"[Wir] fordern die menschenwürdige Unterbringung und die Einhaltung qualitativer Mindeststandards sowohl in Erstaufnahme- wie in Übergangseinrichtungen. Dort bedarf es ausreichend sanitärer Einrichtungen sowie eine vollwertige Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln. Unterkünfte müssen über eine infrastrukturelle Anbindung (ÖPNV, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen etc.) verfügen. […]

Wir fordern insgesamt eine ausreichende Finanzierung der Kommunen über den Bund und eine Aussetzung der Schuldenbremse. […]

Um die Integration und Teilhabe von Geflüchteten zu verbessern, sind barrierefreie und faire Zugänge zu Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt unerlässlich. Wir fordern die Einstellung diskriminierender Praktiken wie der Vorrangprüfung und der Wartezeiten für die Aufnahme von Ausbildung und Arbeit. Die Anerkennung schulischer, universitärer und beruflicher Qualifikationen, die in den Herkunftsländern erworben wurden, stellt eine große Aufgabe dar, die möglichst unbürokratisch gelöst werden muss." (Aus der Resolution der DGB-Jugend "#RefugeesWelcome")

Gruppe ver.di Jugend mit Refugees-Welcome-Plakat

© DGB-Jugend

Einsatz von Geflüchteten als Lohndrücker_innen

Geflüchtete haben es aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und Vorurteilen ungleich schwerer, einen Job zu finden. Zudem ist Arbeitgebern das Verfahren der Vorrangprüfung oft zu langwierig und kompliziert, sodass der Zugang zum Arbeitsmarkt für Geflüchtete strukturell mit hohen Hürden verbunden ist.

Häufig bekommen Asylbewerber_innen ihren Aufenthaltstitel nur zeitlich befristet, was ebenfalls ein Hindernis ist, einen Job zu finden. Außerdem ist die Anerkennung beruflicher oder akademischer Qualifikation aus den Herkunftsländern häufig ein Problem.

Aufgrund dieser schlechten Ausgangslage führen Geflüchtete, wenn sie überhaupt Arbeit finden, häufiger Helfertätigkeiten aus. Manchmal werden dabei kaum Arbeitsstandards eingehalten, und nicht selten wird der Mindestlohn zum Beispiel durch Werkverträge umgangen.

Hinzu kommen Probleme, mit denen wir alle zu kämpfen haben: Wer kümmert sich beispielsweise tagsüber um die Kinder, wenn trotz Rechtsanspruch nicht ausreichend Betreuungsplätze in den überlasteten Kommunen vorhanden sind?

Transparent In Hamburg sagt man Moin Refugees

© Kass3ette CC BY-SA 2.0

"Es darf nicht sein, dass Arbeitgeber die aktuelle Flüchtlingssituation missbrauchen, um Lohndumping zu betreiben. Besonders Forderungen nach der Aufhebung des Leiharbeitsverbots oder der Absenkung des Mindestlohns und von Standards auch für andere Beschäftigungsarten (z. B. Praktika und Freiwilligendienste) für Asylbewerber_innen und Geduldete lehnen wir entschieden ab, weil damit neue Missbrauchsmöglichkeiten entstehen, die zu einer weiteren Spaltung des Arbeitsmarktes und der Arbeitnehmerschaft führen würden", schreibt die DGB-Jugend in ihrer Resolution.

Wenn Geflüchtete als Lohndrücker_innen missbraucht werden, schadet das allen Arbeitnehmer_innen, weil auch sie ihre Arbeitskraft billiger verkaufen müssen und noch weniger zum Leben haben. Schon heute muss eine große Anzahl von Menschen in Deutschland mehrere Stellen annehmen, um genug Einkommen für sich und ihre Familien zu haben.

Solidarität statt Konkurrenz

Es ist leider Realität, dass Arbeitgeber insbesondere im Niedriglohnsektor beschäftigte Geflüchtete als Lohndrücker gegen ihre deutschen Kolleg_innen einsetzen wollen. Und es entspricht auch der Realität, dass die Plätze in Kitas angesichts Hunderttausender minderjähriger Geflüchteter dieses Jahr knapper und die Schulklassen wieder voller werden.

Die von rechten Protestbewegungen wie Pegida und rassistischen Parteien befeuerte Hetze, dass die in Deutschland Schutz suchenden Geflüchteten an Lohnsenkungen, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau Schuld seien, ist dabei aber nichts als der Versuch einer Spaltung.

Denn die Ursachen für steigende soziale Ungleichheit in Deutschland wie beispielsweise die Einführung von Hartz IV, die Verlängerung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre oder auch die Privatisierung der öffentliche Daseinsvorsorge (z.B. Krankenhäuser) hat nichts mit Einwanderung oder Geflüchteten zu tun.

Es handelt sich dabei um wirtschaftliche Umverteilungsprozesse von unten nach oben. Wenn Geflüchtete von Sozialleistungen ausgeschlossen werden, heißt das noch lange nicht, dass plötzlich der Mindestlohn erhöht wird, die Renten steigen oder mehr Kindergärten öffnen.

"Wenn wir Spaltung Solidarität entgegensetzen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen, Tarifverträge, Finanzierung von Kommunen und Kitaplätze kämpfen, können wir die Situation aller verbessern und die Ungleichheit zwischen Arm und Reich verringern."

"Auch die Rechnung, dass die Versorgung von Flüchtlingen Arme noch ärmer mache, geht nicht auf: Kämen tatsächlich weniger Flüchtende, bekäme ein arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger nicht einen Cent mehr, geringe Löhne würden deshalb nicht steigen, und Mittelständler hätten nicht weniger Angst vor dem sozialen Absturz. Hinter diesen Sorgen steht nämlich ein anderes Problem: "Die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich", schreibt Pro Asyl.

Transparent Solidarität muss praktisch werden

© Rasande Tyskar CC BY-NC 2.0

Es ist der allgemeine Mangel an Tarifbindung, ­Arbeitsplätzen, an Kinderbetreuung, an der Unterfinanzierung des Sozial- und Gesundheitswesens und der Kommunen, der schlecht für uns UND schlecht für die Geflüchteten ist. Wir sitzen dabei alle im selben Boot. Deswegen "unterstützen [wir] ausdrücklich sämtliche integrationsfördernde Maßnahmen in den Arbeitsmarkt, wie z. B. die Erweiterung von tarifvertraglichen Regelungen für Geflüchtete" (DGB-Jugend).

Wenn wir Spaltung Solidarität entgegensetzen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen, Tarifverträge, Finanzierung von Kommunen und Kitaplätze kämpfen, können wir die Situation aller verbessern und die Ungleichheit zwischen Arm und Reich verringern.

"Die Aufnahme und Integration von Geflüchteten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wie groß die Herausforderung für Länder und Kommunen, für Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft auch sein mag, schnell auf die steigenden Flüchtlingszahlen zu reagieren: Alle Akteure müssen es als ihre Aufgabe ansehen, eine menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Integration zu gewährleisten", heißt es in der Resolution der DGB-Jugend.

Zum Weiterlesen: Buchtipps und Webseiten

Webseiten

Pro Asyl
Pro Asyl ist eine unabhängige Menschenrechtsorganisation, die sich seit mehr als 25 Jahren für die Rechte verfolgter Menschen in Deutschland und Europa einsetzt. Neben Öffentlichkeitsarbeit, Recherchen und der Unterstützung von Initiativgruppen begleitet Pro Asyl Geflüchtete in ihren Asylverfahren und steht ihnen mit konkreter Einzelfallhilfe zur Seite.
www.proasyl.de

Informationsverbund Asyl und Migration
Der Informationsverbund Asyl und Migration e. V. ist ein Zusammenschluss von in der Geflüchteten- und Migrationsarbeit aktiven Organisationen. Gemeinsames Ziel ist es, für die Beratungs- und Entscheidungspraxis relevante Informationen zugänglich zu machen. Träger des Informationsverbunds Asyl und Migration sind: Amnesty International, Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Caritasverband, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonisches Werk der EKD, Pro Asyl, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Darüber hinaus kooperiert der Informationsverbund Asyl und Migration mit dem UNHCR.
www.asyl.net

Karawane
Die Karawane für die Rechte der Geflüchteten und Migrant_innen ist ein Netzwerk, das sich aus Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen von Geflüchteten, Migrant_innen und Deutschen zusammensetzt. Sie sind engagiert im Kampf für soziale und politische Rechte, Gleichheit und Respekt für die fundamentalen Menschenrechte.
www.thecaravan.org

Faire Mobilität
Das Projekt Faire Mobilität unterstützt die Durchsetzung gerechter Löhne und fairer Arbeitsbedingungen über Länder­grenzen hinweg. Dabei knüpft das Projekt an die Zusam­menarbeit mit Partnern im Europäischen Gewerkschaftsbund und in den interregionalen Gewerkschaftsräten an. Die Arbeit des Projekts beinhaltet Beratungsangebote in Beratungsstellen, Seminare und Fortbildungen, Workshops und die Sammlung von Infos.
www.faire-mobilitaet.de

DGB Bildungswerk: Migration Online
Der Bereich Migration & Gleichberechtigung ist ein Arbeitsbereich im Bildungswerk des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Damit Migranten und Migrantinnen im Einwanderungsland Deutschland gleichberechtigt teilhaben an gesellschaftlichen Prozessen, aktiv mitreden, mitgestalten, mitentscheiden, braucht es Bildungsangebote, Beratung und Information. Dabei geht es nicht nur um Chancengleichheit, sondern auch um die Teilhabe an Debatten und Entscheidungen zur Steuerung von politischen Prozessen.
http://migration-online.de

Materialien

DGB-Handreichung "Flucht. Asyl. Menschenwürde"
Die Broschüre richtet sich an gewerkschaftlich Aktive richtet und ­informiert über Zahlen, Daten und Fakten sowie über rechtliche Bedingungen, insbesondere beim Zugang zu Beschäftigung für Geflüchtete.

Fakten und Argumente gegen Vorurteile
"Wir können doch nicht ganz Afrika aufnehmen": Wo immer es um Asylsuchende geht, fallen solche Sätze – Sätze, die auf absoluter Ahnungslosigkeit und oft auf rassistischen Vorurteilen gründen. Aber was ­entgegnen, wenn der Nachbar so daherredet? Eine neue Broschüre von Pro Asyl und der Amadeu-Antonio-Stiftung gibt Auskunft.
 
Resolution #RefugeesWelcome
In der Resolution #RefugeesWelcome die der DGB Bundesjugendausschuss am 7. Oktober 2015 beschlossen hat, nimmt die Gewerkschaftsjugend Stellung zu aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der Flüchtlingssituation.

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