Urlaub und Umgang
Hallo,
Hinter mir liegen wahrscheinlich 1,5 Sehr anstrengende Ausbildungsjahre. Die letzte Zeit war zum Glück besser.
Dennoch reichte ich am 12.04.23 einen Urlaubsantrag für 27 bis 29.12.23 ein. Ich wollte die Tage nutzen, da wahrscheinlich bereits kurze Zeit später, die letzte Abschließende Praktische Prüfung stattfinden wird.
Gestern wurde mir eröffnet, dass dies nicht möglich sei, andere Arbeitnehmer hätten schon frei, ich hatte letztes Jahr 2 Wochen am Stück frei, diese 3 Tage könnten mir dieses Jahr nicht gewährt werden. Meine eigentliche Abteilung nach der ich momentan bin macht Betriebsferien in dieser Zeit. Ich soll zurück in meine anfängliche Abteilung um dort zu arbeiten. Alle Argumente in Richtung Prüfung wurden vom Tisch gewischt.
Mir wurde gesagt, die 3 Tage machten eh keinen Unterschied, ich solle die Urlaubstage im nächsten Jahr nehmen oder halt wann anders. Ich sei selber schuld wenn ich verkürze und mir das zu stressig wäre.
Dann heute kam der nächste Punkt. Durch Probleme mit der Bahn und meiner Prüfung bin ich hin und wieder früher gegangen und habe minusstunden aufgebaut. Nachdem ich aber über ein halbes Jahr 30 Überstunden hatte, die ich fast nie frei bekommen habe und die ich mir immer hätte ausbezahlt lassen sollen, dafür gab ich nie meine Zustimmung.
Meinem Ausbilder ist das heute aufgefallen und er hat mir eine sehr harsche Mail geschrieben, das ich ab jetzt jeden Tag noch eine Stunde rüber in die Abteilung soll um irgendwelche Aufgaben zu erledigen.
Ich habe ihm geschrieben dass ich das nicht möchte und dass ich sobald nächste Woche die Prüfung vorbei ist in der jetzigen Abteilung Überstunden abbauen möchte, was dort auch über Wochenendsarbeit möglich wäre. Ich komme von weit weg, habe lange Anfahrt und bin so schon am Tag 12 Stunden unterwegs. Ich habe ihm Geschrieben dass ich einfach nicht 8 Stunden Arbeit plus Haushalt plus Familie und alles einfach nicht schaffe am Tag mir lernen etc.
Darauf hin kam er persönlich zu mir. Er könne nichts dafür dass mir dass zur Zeit zu stressig sei. Es sei meine Entscheidung, ich sei selbst schuld dass ich verkürzen und es ist mein Pech wenn ich mir sachen selbst beibringen muss. Jedes Argument meinerseits war bedeutungslos und er stellte es so da als hätte ich mich unfair verhalten weil ich ihm gesagt habe wie es momentan läuft.
Die Überstunden sind zwar auf meinen Nachdruck vom Tisch aber er will Ergebnisse sehen. Ich habe ihm versprochen die Minusstunden noch abzubauen ehe meine Ausbildung endet.
Dennoch finde ich es nicht ok dass mein Urlaub abgelehnt worden ist nur wegen Personalmangel und dass so mit mir gesprochen wird. Ich weiß ob man wirklich was dagegen tun kann, aber ich wollte es mal schildern.
Gruß
RE: Urlaub und Umgang
Hallo lieber Azubi,
schön, dass Du dich an Dr. Azubi wendest.
Ein solcher Umgang ist nicht in Ordnung. Du kannst nichts für die Situation deines Betriebs und darfst auch nicht unter dieser leiden.
Als erstes zu deinem Urlaub:
Du hast deinen Urlaub früh eingereicht, dass ist sehr gut. Dein*e Ausbilder*in muss innerhalb von einem Monat auf deinen Antrag reagieren. Normalerweise gilt, wenn innerhlab von einem Monat nicht auf den Antrag reagiert wird, dass dieser Genehmigt ist. Trotzdem musst du aufpassen, wenn sich der*die Ausbilder*in dann plötzlich quer stellt. Denn auch, wenn du dich im Recht fühlst, weil der Urlaub schon genehmigt war: Eigenmächtiger Urlaubsantritt ist Kündigungsgrund (§ 22 Berufsbildungsgesetz). In diesem Fall solltest du dich lieber an deine Gewerkschaft wenden und versuchen deinen Urlaubswunsch mit legitimen Mitteln durchzusetzen. Hier ist ein Kontakt für dich:
Ver.di Freiburg
Friedrichstraße 41-43
79098 Freiburg
Tel.: 076128550
E-Mail: service.bawue@verdi.de
Falls Du in einer anderen Gewerkschaft Mitglied bist, dann kannst Du natürlich zu deiner Gewerkschaft gehen. Für manche Berufe ist es nicht eindeutig, welche Gewerkschaft zuständig ist.
Nun zu deinen Minusstunden und Überstunden:
Immer wieder gibt es Azubis, die plötzlich von ihrem*ihrer Ausbilder*in erfahren, dass sie Minusstunden angesammelt hätten. In der Regel ist diese Berechnung von Minusstunden nicht rechtens. Denn die Ausbildungsvergütung muss weitergezahlt werden, wenn die Ausbildung aus Gründen, für die du nichts kannst, ausfällt, obwohl du bereitstehen würdest (§19 Berufsbildungsgesetz). Klassisches Beispiel: Dein*e Ausbilder*in schickt dich Heim, weil nichts mehr zu tun ist. Oder du bekommst einen Anruf, dass du gar nicht erst kommen sollst. In diesen Fällen bist du bezahlt freigestellt und sammelst keine Minusstunden an. Du hast ein Recht darauf, die festgelegte tägliche Arbeitszeit auch zu arbeiten und zu lernen, und wenn es nichts zu tun gibt, kann sich dein*e Ausbilder*in ja Lernaufgaben für dich ausdenken: Du bist schließlich Azubi.
Und bezogen auf Überstunden mag sich das jetzt vielleicht etwas seltsam anhören aber: Überstunden musst du als Azubi – im Gegensatz zu normalen Mitarbeiter*innen - nur freiwillig machen. Warum? Du machst keine Ausbildung, um zu arbeiten, sondern um zu lernen, und die normale vereinbarte Arbeitszeit reicht aus, um die Lerninhalte zu vermitteln. Daraus ergibt sich auch folgender Grundsatz: Auch die Überstunden müssen immer dem Zweck der Ausbildung dienen, das heißt dein*e Ausbilder*in oder eine ausbildungsbeauftragte Person müssen anwesend sein, wenn du Überstunden leistest!
Wenn du Überstunden freiwillig machst, gilt: Minderjährige dürfen nicht mehr als 40 Stunden die Woche arbeiten (§ 8 Jugendarbeitsschutzgesetz). Volljährige dürfen durchschnittlich nicht mehr als 48 Stunden und zeitweise maximal 60 Stunden arbeiten – aber nur wenn innerhalb von sechs Monaten im Schnitt nicht mehr als acht Stunden gearbeitet wird (§ 3 Arbeitszeitgesetz)!
Achtung: Wenn du nach der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeit noch im Betrieb bist, und es kommt zu einem Arbeitsunfall, kannst du Probleme bekommen, weil die Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft unter Umständen nicht zahlt. Falls dein Betrieb sich nicht an das Jugendarbeitsschutzgesetz oder das Arbeitszeitgesetz hält, kannst du ihn bei der Gewerbeaufsicht anzeigen.
Überstunden müssen dir selbstverständlich vergütet oder in Freizeit ausgeglichen werden (§ 17 Berufsbildungsgesetz).
Wenn du dich jetzt fragst, ob sich Überstunden für dich lohnen, rechne dir folgendes aus: Teile deine monatliche Ausbildungsvergütung durch 30 Tage. Teile diesen Betrag dann durch deine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit, zum Beispiel acht Stunden. Schau dir den Betrag genau an, der zwischen einem und vier Euro liegen dürfte: Das verdienst du als Azubi in der Stunde. Jetzt überlege dir, ob du deine Überstunden wirklich ausbezahlt oder nicht lieber doch in Freizeit ausgeglichen haben willst. Auf dein Verlangen hin, ist ein Ausgleich der Überstunden in Freizeit möglich.
In deinem Fall ist es sehr sinnvol dich an deine Gewerkschaft mit all deinen Themen zu wenden (Kontakt siehe oben).
Als Gewerkschaftsmitglied hast du Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung und kostenlosen Rechtsbeistand.
Dort kannst du einfach anrufen, nach einem*einer Jugendsekretär*in fragen und auch ruhig sagen, dass du von Dr. Azubi kommst....
Dies war ein Service deiner Gewerkschaft. Als Gewerkschaftsjugend kämpfen wir Tag für Tag für gute Ausbildung, höhere Löhne, Umverteilung und Bildungsgerechtigkeit. Kurz: Für eine solidarische und antifaschistische Gesellschaft. Zusammen sind wir stärker – werde Mitglied!
Ich wünsche Dir viel Erfolg und hoffe, dass Du es schaffst die Dinge so zu regeln, dass Du zufrieden damit bist.
Liebe Grüße
Dr. Azubi
P. S. Bitte empfiehl unseren Service weiter!