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Dr. Azubi

Schlechte Behandlung in der Ausbildung

Hallo, 

ich hätte eine Frage generell zur Ausbildung bzw. was in dieser erlaubt ist, was sich die Ausbildungsleitung erlauben darf und was wir dagegen tun können. 

Vorab als Info: ich mache meine Ausbildung in einem relativ großen Unternehmen. Unser Vertag ist auf 38,5 Stunden pro Woche geregelt. Bis vor über einem Jahr galt die Regel, dass Montag bis Donnerstag "normale" Arbeitstage von einer Länge von 8,5 Stunden netto sind und der Freitag galt als halber Tag mit 4,5 Stunden netto. 

Durch die neue Betriebsvereinbarung ist jedoch jetzt jeder Tag auf 7,7 Stunden geregelt, dies wird allerdings nicht so in den Abteilungen gelebt. Wir haben durch die Regel für die Berufsschule nicht mehr 8,5 Stunden erhalten, sondern nur noch 7,7 Stunden. Die dadurch fehlende Zeit mussten wir unter der Woche mehr arbeiten und ausgleichen. Viele Abteilungen lassen die Azubis jedoch nicht alleine im Büro, da diese selbst nach den alten Regeln arbeiten und das Stundenproblem nicht haben. Es ist somit für viele Azubis ein extremes Problem mit Minus-Stunden entstanden, da sie die fehlende Zeit nicht aufarbeiten konnten. 

Seit diesem Jahr gibt es nun endlich eine JAV, in der ich auch Mitglied bin. Zusammen haben wir uns gegen die Zeitwirtschaft eingesetzt und bewirkt, dass wir wieder 8,5 Stunden für ganze Berufsschultage erhalten. 

Nun hat das neue Schuljahr angefangen und es gab eine Änderung für halbe Berufsschultage. Letztes Schuljahr wurde es so gehandhabt, dass wir die Anzahl an Unterrichtsstunden als Zeit gut geschrieben bekommen (5 Schulstunden = 5 Arbeitsstunden). Nach dieser Zeit hatten wir eine Stunde Pause und mussten danach bis um 16:30 Uhr arbeiten, um die 8,5 Stunden Soll-Arbeitszeit zu erreichen. Dies wurde nun so geändert, dass wir nur noch die aktive Zeit bekommen, die wir in der Schule sind. 

Als Beispiel mein aktueller Stundenplan: 

Ich habe von 07:45 - 12:00 Uhr Schule. Darauf bekommen wir eine halbe Stunde "Fahrtweg", welcher als Arbeitszeit gilt. Damit kommen wir auf 4:45 Stunden. Nach dieser Zeit muss ich eine Pause von 45 Min. machen und darf erst ab 13:15 Uhr arbeiten. Um dann die Soll-Zeit zu erreichen müssen wir bis 17 Uhr arbeiten. Das ist zum einen eine halbe Stunde mehr als vor der Änderung und dies bei gleichen Gehalt, und zum anderen sind die Azubis länger im Büro, als die Festangestellten. Diese Regelung führt zu den selben Probleme, wie bereits die 7,7 Stunden-Regelung der Berufsschultage. 

Mit dem Betriebsrat hat sich zusätzlich die JAV die Ausbildungsqualität angeschaut. Hierbei kam raus, dass die Azubis in manchen Abteilungen extrem gemobbt werden, es Abteilungen gibt, bei denen der Azubi nur Kaffee holen muss und für das Ausräumen der Spülmaschine zuständig ist. Ebenso wurden einige Azubis von den Abteilungen gezwungen sich Urlaub zu nehmen und dennoch arbeiten zu gehen, damit sie aus den Minus-Stunden raus kommen. 

Ebenso herrscht eine extreme Unterscheidung zwischen Azubis und Studenten. Die Studenten erhalten eigene Laptops und dürfen ins Home Office. Die Azubis erhalten nichts und haben strengstens Home Office-Verbot. Selbst in den Abteilungen sind Azubis deutlich weniger wert. Während Studenten an Sitzungen teilnehmen dürfen und Projekte erarbeiten, darf der Azubi die Eigenbedarfbestellung (Kaffee, Milch, Küchenrolle, ...) im Lager abholen. Zudem gibt es einen deutlichen Unterschied im persönlichen und menschlichen Umgang. Man fühlt sich oft so, als wären Azubis Menschen dritter Klasse. Ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen, aber das würde den Rahmen sprengen. 

Alle diese Punkte sind bei der Ausbildungsleitung bekannt und werden entweder ignoriert oder es wird sich raus geredet. 

Wir alle wissen nicht mehr weiter und jeden Tag in diesem Unternehmen sinkt die Motivation die Ausbildung überhaupt fortzusetzen. Dies erkennt man besonders gut daran, dass nicht mal 1/3 alles Azubis nach der Ausbildung in diesem Unternehmen bleiben wollen. Es muss daher ein Problem sein, dass schon länger besteht und wir haben alle das Gefühl, dass die Situation nur noch schlimmer wird. 

Ist dieses Verhalten und die Regeländerung erlaubt? Gibt es etwas, was wir dagegen tun können? Wie können wir uns wehren? 

Vielen Dank für Ihre Hilfe!

RE: Schlechte Behandlung in der Ausbildung

Hallo lieber Azubi,

schön, dass Du dich an Dr. Azubi wendest. Die Ungleichbehandlung von Studierenden und Auszubildenden ist leider ein altbekanntes Problem. Es ist aber absolut nicht in Ordnung und muss sich dringend ändern! Auszubildende sind mindestens genau so wichtig, um einen Betrieb am laufen zu halten.

Kurz forab: Ihr solltet dringend mit der lokalen Gewerkschaft in Kontakt treten. Hier ist ein Kontakt in eurer Nähe:

Ver.di Bezirk Südbaden - Schwarzwald

Okenstraße 1c
77652 Offenburg

Tel.: 076128550

Mail: service.bawue@verdi.de

Da kannst du einfach anrufen, nach einem*einer Jugendsekretär*in fragen und auch ruhig sagen, dass du von Dr. Azubi kommst... 

Jetzt zu deinen Schilderungen:

Seit dem 01.01.2020 wird die Berufsschulzeit unabhängig vom Alter angerechnet. Damit ist auch die Anrechnung für volljährige Auszubildende gesichert. Sie dürfen nach einem langen Berufsschultag nicht mehr zurück in die Arbeit.  

Ein Berufsschultag, der mehr als fünf Unterrichtsstunden von min. 45 Minuten umfasst, muss mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit angerechnet werden (§ 15 Berufsbildungsgesetz, § 9 Jugendarbeitsschutzgesetz). Allerdings nur einmal die Woche. Wenn es zwei Berufsschultage gibt, wird beim zweiten Tag nur noch die Unterrichtszeit einschließlich der Pausen angerechnet. Unter Umständen kann es sein, dass du an diesem Tag noch in die Arbeit musst. In diesem Fall wird der Weg von der Berufsschule in den Betrieb ebenfalls auf die Arbeitszeit angerechnet. Ist die Zeit, die der*die Azubi nach der Berufsschule noch im Ausbildungsbetrieb verbringen kann zu kurz, um dem Ausbildungszweck zu dienen – nämlich weniger als 30 Minuten - kann der*die Ausbilder*in die Rückkehr des*der Azubi*s nicht verlangen. 

Etwas anderes gilt bei Blockunterricht: Beträgt der Unterricht in der Blockwoche mindestens 25 Stunden und sind diese auf fünf Tage verteilt, wird die Blockwoche mit der durchschnittlichen wöchentlichen Ausbildungszeit angerechnet. Während der Blockwoche sind allerdings betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Stunden in der Woche zulässig. 

Grundsätzlich gilt immer: An einem vor 9 Uhr beginnenden Berufsschultag dürfen Auszubildende nicht beschäftigt werden.  

Falls dein Betrieb sich nicht an das Arbeitszeitgesetz hält, kannst du ihn bei der Gewerbeaufsicht anzeigen. 

Immer wieder gibt es Azubis, die plötzlich von ihrem*ihrer Ausbilder*in erfahren, dass sie Minusstunden angesammelt hätten. In der Regel ist diese Berechnung von Minusstunden nicht rechtens. Denn die Ausbildungsvergütung muss weitergezahlt werden, wenn die Ausbildung aus Gründen, für die du nichts kannst, ausfällt, obwohl du bereitstehen würdest (§19 Berufsbildungsgesetz). Klassisches Beispiel: Dein*e Ausbilder*in schickt dich Heim, weil nichts mehr zu tun ist. Oder du bekommst einen Anruf, dass du gar nicht erst kommen sollst. In diesen Fällen bist du bezahlt freigestellt und sammelst keine Minusstunden an. Du hast ein Recht darauf, die festgelegte tägliche Arbeitszeit auch zu arbeiten und zu lernen, und wenn es nichts zu tun gibt, kann sich dein*e Ausbilder*in ja Lernaufgaben für dich ausdenken: Du bist schließlich Azubi.

Nun zu den ausbildungsfremden Tätigkeiten:

Es ist so, für jeden Beruf gibt es einen allgemeinen Ausbildungsrahmenplan, in dem genau steht, was du wann in deiner Ausbildung lernen sollst (Ausbildungsordnungen und Rahmenpläne findest du im Netz hier: http://www.bibb.de/de/berufesuche.php). Außerdem muss deinem Ausbildungsvertrag ein grober Ausbildungsplan angefügt werden, in dem der Verlauf deiner Ausbildung in deinem Betrieb aufgezeigt wird. Der*die Ausbilder*in darf dir nur Arbeiten auftragen, die dem Ausbildungszweck dienen (§14 Berufsbildungsgesetz). Leider passiert es relativ häufig, dass Auszubildende mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beauftragt werden. Ausbildungsfremde Tätigkeiten (also Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen) sind z. B. regelmäßiges Putzen oder Botengänge. Alle diese Tätigkeiten sind verboten! Übrigens dienen auch unnötige Wiederholungen bereits gelernter Fähigkeiten – so genannte ausbildungsfremde Routinearbeiten – nicht dem Ausbildungszweck! Außerdem kann Ausbildung nur dann stattfinden, wenn am Ausbildungsplatz ein*e Ausbilder*in oder Ausbildungsbeauftragte*r anwesend ist, der*die dich ausbildet. Laut § 14 Abs. 1 Nr. 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBIG) muss der*die Ausbildende selbst ausbilden oder eine*n Ausbilder* ausdrücklich damit beauftragen. Der*die Ausbilder*in oder die Person, die mit der Ausbildung beauftragt ist, muss dem*der Azubi Fragen beantworten und ihn*sie in Arbeitsvorgänge einweisen. Er*sie muss seine*ihre Arbeitsergebnisse kontrollieren und dafür sorgen, dass der Azubi alle wichtigen Ausbildungsinhalte erlernt. Daraus ergibt sich, dass er eigentlich immer anwesend sein muss. Der*die Azubi darf also nicht allein am Ausbildungsplatz sein oder nur in Gesellschaft von anderen Azubis, Praktikant*innen und Ungelernten, die als Ausbilder*in nicht geeignet sind. 

Alle Verstöße gegen diese Ausbilderpflicht sind eine Ordnungswidrigkeit und können nach §102 BBiG mit einem Bußgeld geahndet werden!  

Hier sind ein paar Tipps für dich, was du unternehmen könntest: 

1. Sprich die Situation bei deinem*deiner Chef*in an. Wenn kein Ausbildungsplan erstellt wurde, solltest du verlangen, dass dies so schnell wie möglich nachgeholt wird. Nenne deinem*deiner Ausbilder*in konkrete Inhalte, die bis jetzt fehlen und die du laut Ausbildungsrahmenplan schon können müsstest und mache ihn darauf aufmerksam, dass du seine Hilfe und sein Wissen brauchst, um deinen Beruf zu erlernen. Gehe positiv in das Gespräch und sage gleich zu Anfang, dass es dir nicht darum geht zu kritisieren, sondern vielmehr darum, deinen Beruf richtig zu lernen. Schalte außerdem (falls vorhanden) den Betriebsrat ein.  

2. Falls sich nach dem Gespräch nichts ändert, solltest du den*die Ausbilder*in oder Betriebsinhaber*in noch einmal schriftlich an seine*ihre Pflichten erinnern. Hebe dir eine Kopie des Schreibens auf! Hier ist ein Musterbrief: 

Sehr geehrte/r Frau/Herr…, 

laut § 14 Berufsbildungsgesetz darf der Ausbildungsbetrieb den Azubi nur mit Arbeiten beauftragen, die dem Ausbildungszweck dienen. Als Ausbilder*in/Meister*in sind Sie verantwortlich dafür, dass die Berufsausbildung entsprechend des Ausbildungsrahmenplans durchgeführt wird. Ich muss allerdings häufig auf Ihre Weisung hin ausbildungsfremde Tätigkeiten verrichten. Einige Beispiele: 

- [Bitte hier die ausbildungsfremden Tätigkeiten mit genauer Datums- und Zeitangeben aufführen.] 

Ich fordere Sie hiermit noch einmal schriftlich auf, solche Weisungen zu unterlassen und mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihnen ein Bußgeld droht und Sie schadensersatzpflichtig werden können, wenn Sie sich als Ausbilder*in nicht an Ihre gesetzlichen Pflichten halten. Außerdem muss laut § 14 Berufsbildungsgesetz ein*e geeignete*r Ausbilder*in die Ausbildungsinhalte vermitteln.  

- Ich bin allerdings sehr häufig allein im Betrieb [Bitte Beispiele einfügen] 

- Es steht für mich allerdings kein*e Ausbilder*in bereit und es ist auch niemand ausdrücklich mit meiner Ausbildung beauftragt worden. 

Ich fordere Sie hiermit schriftlich auf, mir eine*n Ausbilder*in zur Verfügung zu stellen, mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie schadensersatzpflichtig werden können, wenn Sie sich nicht an Ihre gesetzlichen Pflichten halten. 

Mit freundlichen Grüßen, 

[Unterschrift Azubi]

Außerdem könntest du dich an eine*einer Ausbildungsberater*in der Kammer/Innung wenden und mit ihm*ihr ein persönliches Gespräch vereinbaren, denn die sind dafür da, die Ausbildung in den Betrieben zu kontrollieren. 

Dies war ein Service deiner Gewerkschaft! 

 

Liebe Grüße 

Dr. Azubi

P. S. Bitte empfiehl unseren Service weiter!  

Hier kannst du Mitglied einer Gewerkschaft werden: https://jugend.dgb.de/dgb_jugend/ueber-uns/mitglied-werden  

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